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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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ihre Besuche in den Gärten einzustellen und sich von jedem Fremden fernzuhalten. Dann schloss er sich in seinem Kabinett ein und widmete sich wieder seinen Berechnungen für den Riesenglobus. Falls er sterben müsste, so dachte Olearius, wollte er der Welt noch ein letztes, großes Werk hinterlassen.

FÜNF
    Während die fürstliche Familie sich hinter den hohen Mauern von Schloss Gottorf verschanzte, stand die Arbeit in den Gärten still. Ein Teil der Gartenjungen hielt sich in den Wäldern versteckt und lebte dort von Kaninchen, Vögeln und Eicheln. Hofgärtner Friedrichs und seine Gesellen hatten sich in der Gartenwerkstatt und Orangerie einquartiert und sprachen dort dem Rotwein zu. Den Garteneleven hatte man den Stall für das Federvieh zugewiesen. Da die Hofküche kein Essen mehr in die Gärten lieferte, hatte der Herzog den Küchengarten für die Versorgung der Gartenarbeiter freigegeben. Aus der Schlei zogen sich die hungrigen Jungen Fisch.
    Statt seiner Vollendung entgegenzuschreiten, verfiel das Gartenreich. Und während der Herbst sich mit seinen Nebeln und fallendem Laub über das Land legte, wucherte Unkraut zwischen den Hecken. Der Efeu streckte seine langen Arme aus, Moos wuchs zwischen den Steinen, im Herkulesbrunnen versiegten die Fontänen und die ersten Pfauen brutzelten über den Lagerfeuern der hungrigen Gartenjungen. So mühsam es gewesen war, der Wildnis eine Ordnung abzutrotzen, so rasch schritt der Verfall nun voran. In kurzer Zeit zerstörten Verwahrlosung und Plünderei viele Jahre harter Arbeit. Es war, als läge ein böser Zauber über dem Land.
    Den Niedergang mitansehen zu müssen, tat weh. Sophie hatte ihre Promotion zum Garteneleven kaum begreifen können und jetzt drehte das Rad der Fortuna sich wieder in die entgegengesetzte Richtung. Inmitten der auseinanderberstenden Welt fühlte sie sich ohne Halt. Wieder riss das Schicksal sie auf seinem wütenden Strom mit sich und wieder konnte sie nichts tun, als sich an das brüchige Treibholz zu klammern, das ihr Leben war. Selbst Farid war ihr kein Trost. Das Band ihrer Freundschaft schien mürbe. Denn seit der Episode auf dem Hügel hatte er sich von ihr entfernt und seinen Schlafplatz an ihrer Seite aufgegeben. Er schlief allein auf dem Hügel, während Sophie sich nach dem Ausbruch der Pest einen Platz in einem vergessenen Arbeitsschuppen gesucht hatte. Immer wieder hallten Johannas Worte mahnend in ihren Ohren, die sie bei Fieber, Husten oder anderem Ungemach vor dem Schmutz der anderen und vor allzu großer Nähe gewarnt hatte. Doch die Einsamkeit verstärkte Sophies Ängste noch. Und in den Nächten fand sie keinen Schlaf.
    Johanna … Melissa … Auch der Gedanke an die Freundin und ihre Schwester quälten Sophie. Während man auf Schloss Gottorf bislang keinen Pesttoten zu beklagen hatte, klangen die Berichte aus der Stadt schrecklich. Mal hieß es, dass die Toten sich in den Straßen stapelten und die Totengräber die Leichen in Gruben vor der Stadt verscharrten. Dann war die Rede von schrecklichen Verbrechen an Unschuldigen. Hütten waren angezündet worden, in denen man Pestkranke vermutete und verlassene Kinder, deren Eltern an der Seuche gestorben waren, hatte man in einem Boot auf der Schlei ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Panik und Hysterie regierten die leidende Stadt.
    Wie sollte sie ihr Leben weiterführen? Um nicht von ihren düsteren Gedanken in die Tiefe gerissen zu werden und um jeden Morgen aufzustehen, beschloss Sophie, wenigstens einen kleinen Teil des Gartens vor dem Verfall zu retten. In einem Abschnitt, in dem sie zuletzt mit Farid gearbeitet hatte, pflegte und wässerte sie die Pflanzen und hielt das Unkraut in Schach. Sie hatte einige der Pflanzpläne des Hofgärtners in ihr Buch übertragen und was sie an Zwiebeln und Knollen in den verwaisten Lagern finden konnte, setzte sie in die Erde, die noch einen Rest Sommerwärme in sich trug.
    Tulipa , Primula , Hyacinthos und Crocus – der Klang der lateinischen Namen und die Erinnerungen an den vergangenen Sommer waren ein winziger Trost. Sophie vermisste Farid an ihrer Seite und sie fragte sich, ob sie noch einmal an ihre alte Freundschaft anknüpfen könnten. Wenn sie dort zwischen den Hecken arbeitete, allein mit ihren Gedanken, fühlte sie sich bisweilen wie der letzte Mensch auf Erden.

    Die Marktfrau war die erste Pesttote gewesen. In den folgenden Wochen erkrankten mehr und mehr Bürger, kein Mensch schien der Seuche Einhalt gebieten zu

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