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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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gezaubert.«
    Johanna saß während der Zeugenaussagen still auf ihrem Platz. Die Büttel hatten ihre Hände und Füße gefesselt, die Stricke schnitten ihr ins Fleisch. Auf weitere Gewalt und eine peinliche Befragung hatte man jedoch verzichtet. Offenbar vertraute das Gericht auf das Gewicht der Zeugen, jedes Wort, das gegen die Kräuterfrau gesprochen wurde, ließ die Zuschauer im Saal zustimmend zischen.
    Johanna wusste, es gab kein Entkommen. Noch nie war eine Frau, die in Schleswig der Hexerei angeklagt worden war, mit dem Leben davongekommen. Die meisten waren zum Feuer verurteilt worden und in den Flammen eines Scheiterhaufens verbrannt. Andere hatten verzweifelt eine Wasserprobe verlangt.
    Es war allgemeiner Glaube, dass Hexen durch ihren Bund mit dem Teufel leichter als Wasser seien und nicht untergehen könnten. Kreuzweise gebunden – die linke Hand an den rechten Fuß, die rechte Hand an den linken Fuß – warf man die Angeklagte also nackt ins Wasser. Schwamm sie oben, war sie schuldig. Unschuldig war nur, wer unterging und ertrank. Der Pfarrer empfahl die Seele der Toten dann dem Himmelreich.
    Ein Sonnenstrahl, der durch eines der seitlichen Fenster in den Ratssaal fiel, streichelte ihren Körper. Johanna schloss die Augen, die Worte der Zeugen drangen nur noch wie fernes Rauschen an ihr Ohr. Plötzlich verspürte sie keine Angst mehr. Sie dachte an ihr Leben zurück, an ihre Mutter, an ihre Kindheit, an den Wald und an die Tiere und an das Kind, das sie geboren und verloren hatte. Dann dachte sie an Melissa. Für einen Moment verspürte sie Trauer, weil sie nicht erleben könnte, wie das Mädchen heranwuchs. Und weil sie ihr das Wissen um die Macht der Kräuter nicht würde weitergeben können. Welche Erinnerung bliebe Melissa von ihr? Eine vage Sehnsucht, ein Gefühl der Geborgenheit?
    Dann schickte sie ihre Gedanken zu Sophie. Und während die Verhandlung auf ihr unausweichliches Ende zusteuerte, während sie die Wasserprobe verlangte und man sie noch eine Nacht in die Zelle sperrte, um sie dann am frühen Morgen von einem Fischerboot nackt und gefesselt in die schon herbstlich kühle Schlei zu werfen, konzentrierte sie sich auf das Wohl der Mädchen. Sie hatte ihr Leben gelebt, dachte Johanna, als das Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug und die Last ihres gefesselten Leibes sie unerbittlich in die Tiefe zog. Nun musste Sophie ihre Botschaft vernehmen und Melissa zu sich holen, damit die Kleine nicht in der Hütte auf dem Holm verhungerte.
    Solange sie noch einen letzten Hauch Leben in sich spürte, versuchte sie, Sophie zu erreichen. Das Letzte, was sie sah, war ein grünliches Licht, das sie umfing. Plötzlich fühlte sie sich leicht – wie von Vogelschwingen getragen. Heiterkeit stieg in ihr auf, das Gefühl, an einen vertrauten Ort zurückzukehren.
    Johanna schluckte Wasser, sie schloss die Augen. Dann blieb nur noch Zeit für einen allerletzten, tröstlichen Gedanken: Dass ihr Opfer nicht umsonst wäre und die Pest von der Stadt weichen möge.

SECHS
    Die Stimmen kamen aus den Hecken. Sophie setzte sich auf und rieb die Hände. Am frühen Morgen war es inzwischen empfindlich kalt, dennoch liebte sie die Stunde, in der die Nacht sich vom Tage schied, die Nebel über den Wassern sich im Sonnenlicht auflösten und für einen Moment über der Schlei tanzten. Die Welt schien rein und verletzlich, noch unberührt von den Mühen und Versuchungen eines langen Tages.
    Was hatte sie da eben gehört? Sie versuchte, dem Klang der Worte nachzuspüren, ein Raunen in ihrem Kopf. Dann starrte sie auf die Hecke, die sich um ihren Garten zog. Insgeheim hatte sie das Terrassenstück »Sophians Werk« genannt. Hinter den Buchspflanzungen hörte sie Schritte, das Laub raschelte. Vielleicht waren die Burschen auf der Suche nach etwas Essbarem, Hunger und Kälte trieben die versprengten Gartenjungen wieder näher an das Schloss heran. Auch Sophie fiel es immer schwerer, noch etwas Essbares in den Küchengärten zu finden. Ab und zu jedoch lag morgens ein Stück gebratenes Wild, ein Täubchen oder ein gebackener Igel vor ihrem Unterschlupf. Farid hatte sie nicht vergessen und offenbar war er inzwischen ein geschickter Jäger und Fallensteller. Geschickter jedenfalls als die meisten Gartenjungen, die lediglich die behäbigen Pfauen hatten fangen können.
    »Die Hexe ist tot. Sie schwamm auf den Wellen, bis sie der Teufel in die Tiefe zog. Schleswig ist von dem bösen Zauber befreit.«
    Die Hexe? Sophie schüttelte

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