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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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können.
    Nachdem die Kranke bei ihr gewesen war, hatte Johanna ihre Tür für niemanden mehr geöffnet. Gemeinsam mit Melissa und den Tieren schloss sie sich in ihrer Hütte ein, nur gelegentlich trat sie vor das Haus, um Wasser oder frisches Gras für die Ziege zu holen. Dank ihrer Vorräte an getrockneten Kräutern, Getreide und Früchten würden sie bis ins Frühjahr hinein im Schutz der Hütte ausharren können.
    Um die langen, einsamen Stunden zu füllen und Melissa zu beschäftigen, begann sie, das Mädchen im Lesen und Schreiben zu unterrichten und es einige einfache Rezepte zu lehren. Melissa war noch keine vier Jahre alt, doch sie folgte dem Unterricht mit wachen Augen. Bald malte sie die ersten kleinen Worte nach und Johanna dachte, dass sie einem leeren Gefäß glich, das sie nach Belieben mit ihrem Wissen füllen könne. Sie hatte immer gespürt, dass die Kinder des Ochsentreibers über einen besonderen Willen und eine unerschrockene Zähigkeit verfügten. Und Sophie und Melissa zeichnete zudem die wunderbare Begabung aus, Neues und Abstraktes zu begreifen.
    Die Wochen schritten voran und fast schien es, als verschone der Wahnsinn der Welt die kleine Hütte auf dem Holm. Doch dann schlugen die Büttel des Rats gegen die Tür in der Fischergasse. Als Johanna die energischen Schläge hörte, die das Holz splittern ließen, wusste sie, dass man sie nun holen würde.
    Du wirst mich nicht vergessen! Der Fluch der Marktfrau. Sie hatte gerade noch Zeit, Melissa die Leiter hinaufzustoßen und hinter einigen Ballen Heu zu verstecken, dann brachen die Männer durch ihre Tür und in ihr Leben ein.
    »Johanna Michels, der Rat der Stadt klagt dich der Hexerei an«, verlas einer der Männer die Anklage. Johanna kannte ihn, er war schon bei ihr gewesen und hatte Kräuter gegen Krämpfe und schmerzhafte Winde bekommen. Als sie ihm in die Augen sah, wich er ihrem Blick aus. Die anderen packten sie bei den Armen.
    »Wer klagt mich an?«
    Doch die Männer antworteten nicht. Sie zerrten sie aus der Hütte und obwohl sie sich nicht wehrte, rissen sie an ihren Haaren und zogen an ihrem Kleid. Das Mieder sprang auf und halb entblößt stieß man sie durch die Reihen der Gaffer, die sich trotz der Pestgefahr auf den Wegen versammelt hatten.
    Johanna starrte den Neugierigen trotzig ins Gesicht. Sie sah Nachbarn, denen sie im Herbst Apfelgelee geschenkt oder deren Kinder sie gestillt hatte. Sie blickte in mitfühlende, aber auch entsetzte Mienen. Und dann sah sie die Angst. Wie ein Dämon hockte sie den Menschen im Nacken und flüsterte ihnen ihre vergiftete Botschaft zu. »Die Töversche«, raunte sie ihnen ins Ohr, »die Kräuterhexe hat die Pest nach Schleswig geholt. Werft sie ins Feuer, dann ist endlich Ruh!«
    Johanna verbrachte nur eine Nacht im Kerker der Stadt. Schon am nächsten Morgen zerrte man sie vor das Ratsgericht. Wieder wurde die Anklage verlesen, ausführlicher diesmal, ein umständlicher Akt, dann ließ der Richter die Zeugen hören.
    Johanna Michels könne fremde Kühe aus der Ferne melken, behauptete ein Bauer. Er habe gesehen, dass sie eine Axt in einen Block schlage und dann die Milch aus dem Stiel des Werkzeugs zapfe. Sie treffe sich im Wald mit ihrem dämonischen Liebhaber, einem weißen Ziegenbock, sagte ein anderer. Sie könne mit den Tieren sprechen und mit ihren Sprüchen Schadenzauber verbreiten. Verzweifelte locke sie mit verführerischen Düften und Versprechungen in ihr Haus.
    Zuletzt sagte der Witwer der Marktfrau gegen die Angeklagte aus. »Meine Frau verließ unser Haus am Morgen, sie war gesund und so fröhlich wie ein Spatz. Nachdem sie bei der Michels gewesen war, habe ich sie nicht wiedererkannt«, behauptete er. In seinen Worten schwang Hass mit, seine Stimme klang brüchig wie aus Glas. Inzwischen waren auch zwei seiner drei Töchter erkrankt und gestorben. »Magdalena fieberte stark und redete wirr, in den Händen hielt sie einen Spruch der Töverschen.« Doch selbst nachdem er den Zettel verbrannt hatte und ein Kreuz über ihr geschlagen habe, sei die schändliche Seuche nicht aus ihrem Körper gewichen. »Johanna Michels hat Unglück über unsere Familie gebracht. Sie hat den Schwarzen Tod in die Stadt geholt. Und sie hat auch noch Geld für ihren Zauber genommen, die Börse meiner Frau war leer.«
    Und schließlich die Stimme eines Ratsherrn: »Johanna Michels war die erste, die von der schändlichen Seuche gesprochen hat. Sie hat die Pest herbeigeredet und nach Schleswig

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