Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
hatte Sophian nie aus den Augen gelassen. Immer wieder war er den Hügel hinabgeschlichen und hatte im Schutz der Hecken nach ihm Ausschau gehalten. Er hatte ihn in den Gärten arbeiten sehen. Sein zarter Körper, der sich über die Erde beugte. Das leuchtende Haar, welches das Kupfergold der Sonne einfing. Der vertraute Anblick beruhigte ihn und ließ die Angst vor der Seuche weichen. Solange es Sophian gut ging, dachte Farid, würde die Pest auch ihm nichts anhaben können.
Er selbst kannte den Schwarzen Tod nur aus den Erzählungen der Alten. Persien war lange Zeit von der Seuche verschont geblieben, doch aus Russland und China waren Berichte über die Verheerungen und Leiden der Pest ins Reich gelangt. Auch Konstantinopel, das Königreich der Ratten, galt mit seinen verschachtelten Vierteln und offenen Kloaken als gefährlicher Pestherd. Mit den Kaufleuten und über die Seidenstraße war die Seuche bisweilen auch ins Reich geschwappt. Doch nie hatte die Krankheit die Wüste durchquert und Isfahan erreicht. Allah hatte seine schützende Hand über seine Söhne und Töchter gehalten.
Allahu akbar … Farid dachte, dass seine Gebete fast wieder an die alte Vertrautheit hatten anknüpfen können. Allein, ohne Sophian an seiner Seite, war das Gespräch zu Gott wieder von Nähe und Vertrauen geprägt. Die tröstende Liebe Gottes hatte ihm geholfen, sich von Sophian und den sündigen Gedanken fernzuhalten.
Und nun kam der Freund zu ihm.
Farid saß vor seinem Unterschlupf, eine Hütte aus geflochtenen Zweigen und Farnkraut, die ihm etwas Schutz vor Wind und Regen bot. Am Morgen hatte er ein zappelndes Kaninchen in seiner Falle gefunden. Mit einem Steinschlag hatte er es betäubt, dann hatte er es mit seinem Gartenmesser getötet. Nun zog er dem Tier das Fell über die Ohren und nahm es aus. Die Innereien, soweit sie bekömmlich waren, sollten die Grundlage für eine kräftige Brühe bilden. Das Fleisch röstete er über dem offenen Feuer. Während er das Tier zubereitete, hatte er noch gedacht, dass dies ein guter Tag werden würde.
Trieb der Hunger Sophian den Hügel hinauf? Farid legte das blutige Kaninchen zur Seite und wischte sich die Hände im feuchten Gras sauber. Er hatte Sophian an seinen Jagderfolgen teilhaben lassen, nach einigen Fehlschlägen hatte er schnell gelernt, wie er Hasen und Kaninchen fangen musste. Einmal war ihm sogar ein Marder in die Falle gegangen, doch das Fleisch hatte faulig geschmeckt und nach Aas gestunken. Er hatte die Reste vergraben müssen. Für Sophian jedoch hatte er immer die besten Stücke ausgewählt und ihm in der Nacht in einem Lederbeutel vor seine Hütte gelegt. Der Freund bedankte sich bisweilen mit einem Apfel oder einer anderen Frucht, die er in den Gärten aufgelesen hatte. Doch in all der Zeit hatten sie kein Wort gewechselt. Sie hatten beide die missliche Situation auf dem Hügel nicht vergessen können.
Was wollte Sophian also von ihm?
Die Morgensonne blendete ihn. Farid beschirmte seine Augen mit den Händen, der Freund arbeitete sich geschickt durch das hohe Gras. Er konnte sehen, dass Sophian sein Versteck noch nicht entdeckt hatte. Es lag gut geschützt zwischen Büschen und niedrigem Gestrüpp.
»Farid?«
Sophians Stimme klang unsicher, fast ängstlich. Und trotzdem tat sein Herz einen Sprung, als er den vertrauten Klang hörte. Im selben Moment fragte er sich, wie sie es so lange fern voneinander hatten aushalten können.
»Farid? Flieder, bitte … Du musst mir helfen!«
Sein Verstand hielt ihn zurück, doch sein Körper gehorchte nicht. Er sprang auf. Sophian zuckte zusammen, als er so plötzlich vor ihm stand. Sie waren etwa vier oder fünf Armeslängen voneinander entfernt, stumm sahen sie sich an. Ein langer Blick, wie eine Umarmung.
»Geht es dir gut?«
»Ja. Nein …« Sophians Stimme brach, Tränen bahnten sich ihren Weg, die er mit dem Handrücken zu verbergen suchte.
»Was ist mit dir?«
Farid hatte sich noch nicht gerührt. Etwas hielt ihn zurück, er wollte warten, bis der Freund den ersten Schritt machte.
»Es ist … Johanna … Es heißt, sie sei als Hexe verurteilt worden.«
Nun konnte Sophian nicht mehr an sich halten. Die Tränen strömten über sein Gesicht und er machte sich nicht mehr die Mühe, sie zu verstecken. Ein Gefühl der Rührung stieg in Farid auf – und der Liebe.
»Komm«, sagte er und schloss den Freund in die Arme. Dann zog er ihn hinunter ins Gras. »Was ist geschehen?«
Während er den Freund in seinen Armen
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