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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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er. » Dat se bliven ewich tosamende ungedelt … «

    Es war schwer, ohne den nächtlichen Rum auszukommen. Die ersten Abende hatte Oss zitternd vor Verlangen am Feuer gesessen, die Gier nach dem tröstlichen Schluck war kaum zu ertragen gewesen. Mit halb geschlossenen Augen verfolgte er den Weg der bauchigen Flasche und wenn sie bei ihm war, wog er sie für einen Moment wie ein Kind im Arm. Er sog den Duft des Alkohols ein, einmal, zweimal, dreimal, dann reichte er die Flasche weiter, ohne davon zu trinken.
    »Was ist mit dir, Oss?«, reizten ihn die anderen. »Was ist das für ein Gebaren?«
    »Er hat sich verguckt«, johlte ein anderer dazwischen. Dann klatschten sie genüsslich über Lisbeths verstohlene Liebesgaben.
    »Hast du ihre Brüste gesehen?«, warf der nächste dazwischen und zeichnete mit den Händen einen üppigen Schattenriss in die Nacht, der Lisbeth nicht im Entferntesten ähnelte.
    Oss ließ sie gewähren. Ihr Spott traf den Kern seiner Zuneigung für das Mädchen nicht und ihr wildes Geraune lenkte sie ab von dem, was ihn wirklich beschäftige.
    Da war der Silberschatz, nicht üppig, aber doch ein kleiner Besitz, der ihn plötzlich von den übrigen Burschen und Knechten unterschied. Nie würde er das Geräusch des unter dem Flug zerberstenden Tonkrugs vergessen. Wie silberne Sterne waren die Münzen plötzlich vor ihm auf den dunklen Acker gefallen. Er hatte nur die Hände danach ausstrecken müssen. Fassungslos war er in die Knie gegangen, dann hatte er das Geld, Taler für Taler, aufgesammelt. Es waren dänische Münzen, etwa einhundert Jahre alt, schwer und verheißungsvoll hatten sie in seiner Hand gelegen. Niemand hatte gesehen, wie er die Münzen unter seinem Hemd in einem Ledersäckchen verborgen hatte. Nun lag das Geld hinter einem lockeren Backstein im Ochsenstall, wo er auch schon den Dolch versteckt hatte.
    Die silbernen Münzen, die blitzende Waffe. Oss spürte, dass er seinem Rachezug noch einen Schritt näher gekommen war. Könnte er mit dem Geld nicht die Wachen bestechen und sich Zutritt zu den Räumen Ritter Rantzaus verschaffen? Alles erschien ihm nun einfacher, weniger gewagt, die Münzen gaben ihm Sicherheit. Mehr Sicherheit noch als die Waffe und die Kraft seines Körpers. Sie könnten ihm die Unterstützung einiger Komplizen erkaufen. Er wäre nicht allein.
    Und war dieser Schatz nicht auch ein Fingerzeig Gottes? Plötzlich erschien ihm die Möglichkeit eines himmlischen Plans nicht mehr gänzlich abwegig. Er war auf den Schatz gestoßen, als er das Feld bestellt hatte. Doch wie lange hatte der Krug schon in der Erde gelegen? Wie viele Male schon hatten andere vor ihm an dieser Stelle gearbeitet und nichts als Erde und Steine aufgeworfen?
    Oss dachte, dass sein Fund ein Zeichen des Herrn war, ja sein musste. Es war so, als ob Gott zu ihm sprach: »Du, mein Sohn, du wirst triumphieren. Deine Zeit ist gekommen. Das Böse wird nicht siegen können, denn am Ende wird alles gut.«
    Aber er müsste den Rum aus seinem Leben verbannen. Er brauchte einen klaren Kopf, er müsste schnelle Entscheidungen treffen können. Jederzeit.
    Zwei Wochen benötigte Oss, um die schlimmste Gier, das Zittern der Hände, das Schwitzen und die Kälte hinter sich zu lassen. Dann wurde es besser. Um sich abzulenken und nicht ständig über seinen Plan zu grübeln, ließ Oss sich auf das nächtliche Kartenspiel ein.
    Die meisten Burschen spielten »Landsknecht«, ein Glücksspiel, das der Kaiserliche Krieg aus dem Süden in den Norden getragen hatte. Ein Bankhalter und seine Gegenspieler, die Pointeure, kämpften um die Einsätze. Meist ging es um geringe Beträge, Kreuzer oder Groschen, die man entbehren konnte. Einige Hasardeure setzten jedoch ihren gesamten Besitz aufs Spiel – und bisweilen verloren sie alles.
    Oss spielte mit seinen geringen Ersparnissen, den Schatz wagte er nicht anzurühren. Mal gewann er, dann verlor er wieder. Einsatz und Gewinn hielten sich die Waage. Das Spiel reizte ihn in seiner Unvorhersehbarkeit – es war wie ein Abbild des Lebens. Auch wenn einige Glücksritter betrogen und die Bank einen kleinen Vorteil gegenüber den Pointeuren genoss, lockten ihn der Kitzel des Spiels und die Auseinandersetzung mit seinen Mitspielern. Jeder reagierte anders auf das Wechselspiel der Fortuna und viele tranken sich das Glück mit einem kräftigen Schluck Rum herbei. Und gegenüber dem fahrigen Spiel eines Betrunkenen war Oss immer im Vorteil.
    So stimmte er in einer Nacht einer Partie

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