Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
wie Ascheflöckchen davon.
»He, he …« Die Männer bauten sich nun drohend vor Rantzaus Mann auf, sie nahmen Oss in Schutz.
»Mach, dass du fortkommst!«
»Scher dich zum Teufel!«
»Elender …«
»Gauner …«
Ein schlechter Verlierer war so beliebt wie Zahnfäule, der Wolf verschwand fluchend in der Dunkelheit. In der Hand hielt er die Rumflasche.
Die Wolken, die sich vor den Mond geschoben hatten, überzogen den Platz mit Schatten. Auch das Feuer war nun fast verloschen. Es war nicht leicht, die Papierfetzen zu finden, doch die Burschen halfen ihm suchen. Nach einer Weile hatten sie fünf Stückchen gesammelt.
Oss war zu müde, um weiterzusuchen. Er dankte den Männern, dann machte er sich auf den Weg in den Ochsenstall. In der einen Hand hielt er die gewonnenen Münzen, in der anderen die Papierfetzen.
Das größte Geheimnis in den Herzogtümern. Die Worte des anderen gingen ihm nicht aus dem Kopf. Und obwohl er hundemüde war, zündete er sich im Stall eine Lampe an und versuchte, die Papierstückchen aneinanderzusetzen.
Er sah, dass er ein Stück eines Flugblattes vor sich hatte. Auf der einen Seite waren Buchstaben gedruckt, mühsam entzifferte Oss das Wort »Bande«. Außerdem erkannte er das Schild des herzoglichen Wappens.
Oss blickte auf, seine Gedanken wirbelten durcheinander. Das war der Steckbrief, mit dem der Herzog nach den Köpfen der Vollmondbande suchen ließ, dachte Oss. Die Flugblätter waren überall im Land verteilt worden, auch auf der Breitenburg. Der Herzog hatte eine Belohnung von fünfzig Reichstalern auf jeden Hinweis ausgesetzt, der zur Ergreifung der Täter führte. Außerdem hatte er Christian Rantzau mit der Suche nach den Mördern betraut. Der Ritter war zum Sonderermittler ernannt worden.
Ausgerechnet! Oss schüttelte den Kopf. Der andere hatte ihn tatsächlich reingelegt. War das wirklich das größte Geheimnis in den Herzogtümern?
Zweifelnd drehte er die Papierstückchen um und fügte sie wieder zusammen. Drei Fetzen waren unbeschrieben, auf zweien war etwas gezeichnet.
Die Zeichnung war ungelenk, wie von Kinderhand. Oss hielt sich die Fetzen vor Augen, die Lampe flackerte. Er meinte einen Helm und zwei Büffelhörner zu erkennen – das Wappen der Rantzaus.
Christian Rantzau. Oss hielt den Atem an, im dunklen Stall hörte er die Tiere leise schnauben. Dachte sein Gegenspieler etwa auch, dass Ritter Rantzau der Anführer der Mörderbande war? Wusste er mehr? Oss schüttelte nachdenklich den Kopf. Die Ereignisse der zurückliegenden Vollmondnacht kamen ihm in den Sinn. Wieder sah er die Reiter vor sich, die dunklen Umhänge, die verhüllten Gesichter. Und den blitzenden Sporn.
Plötzlich war er wieder hellwach. Er musste etwas tun, es durfte nicht noch mehr Opfer geben. Er steckte die Papierfetzen in die Jackentasche und stand schnell auf. In der Dunkelheit tastete er sich zu seinem Versteck und zog den Backstein hervor. Nach einem kurzen Moment des Zögerns langte er nach dem Silberschatz. Bis zum nächsten Vollmond blieben ihm noch acht Tage.
DREIZEHN
Ein Mal noch. Ein Mal noch töten, dachte Christian Rantzau. Den Rausch spüren und die Herrschaft über das Leben.
Der Mond stand voll und schwer am Himmel, sein gleißendes Licht flutete die Nacht. Da, wo die Strahlen silbern durch die Baumwipfel stießen, leuchteten Lichtpunkte auf dem Waldboden auf. Trockenes Laub und Reisigholz schimmerten wie mit Quecksilber überzogen.
Rantzau spürte die pulsierende Energie des Mondes, sie trieb ihn an. Er hob den Arm. Die Männer in seinem Rücken reagierten auf sein Zeichen. Sie zügelten die Pferde, dann hielten sie still.
Behutsam trieb Rantzau sein Pferd voran. Sie waren gut zwei Stunden in den Wäldern unterwegs. Entlang des Ochsenweges hatten sie niemanden aufspüren können, die Kaufleute waren vorsichtig geworden. Wer auf dem alten Handelsweg reiste, tat dies nur noch mit bewaffneter Eskorte. Und bei Vollmond mieden die meisten Reisenden die Wälder inzwischen ganz. Zur Sicherheit quartierten sie sich in einem Gasthof an der Strecke ein und warteten die kritische Phase ab. Das war zwar teuer, aber immer noch vernünftiger, als sein Leben in den Wäldern zu riskieren.
Doch vor ihnen, da war etwas. Jemand. Christian Rantzau atmete scharf ein. Er bemerkte, wie sich seine Nasenflügel weiteten, als witterten sie eine Spur. Wie ein Schluck Wasser strömte die kühle Nachtluft durch seinen Körper. Er lauschte in den Wald hinein und spürte die Anwesenheit von
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