Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Schreiben, fast konnte er nicht glauben, was er las.
»So wendet sich der Hass also zum Guten«, wisperte er und sein Kabinett, dessen stolze Architektur ihn immer schon bestärkt hatte, schien ihm recht zu geben. Sein Blick fiel auf das Rantzausche Wappen über dem Türsturz vor ihm. Unbeschädigt hatte es die Plünderungen der feindlichen Heere überstanden. Und auf einmal, wie ein heller Glockenton, hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: »Du tust recht, Rantzau. Und du bist das Recht.«
Ja, dachte Christian Rantzau, ja, er hatte sich endlich gegen die lächerliche Schwäche der Ritterschaft gestemmt. Und er hatte der Welt zeigen können, dass König und Herzog nicht für die Sicherheit ihrer Untertanen garantieren konnten. Noch weniger richteten die herrschaftlichen Beamten in ihren Kanzleien und Schreibstuben gegen die Unwägbarkeiten der Welt aus. Was hatten die Räte dem Bösen entgegensetzen können? Nicht mehr als einen Federstreich. Nun rief man also nach ihm, nach der Stärke und Tatkraft eines Ritters. Nun könnte er beenden, was er begonnen hatte und die Privilegien der Ritterschaft für alle Zeiten festigen und sichern.
Ich muss dem Herzog einen Täter präsentieren, dachte er. Schnell. Dann stieg die Erinnerung an die nächtliche Hatz in ihm auf. Was war das für ein Vergnügen, ein Rausch – wild und ungezähmt! Könnte er in Zukunft darauf verzichten?
Christian Rantzau bemerkte, dass sein Atem schneller ging. Die Gedanken an seine nächtlichen Beutezüge erregten ihn. Gab es einen erhebenderen Anblick als den des Todgeweihten? Gab es ein köstlicheres Gefühl als das Wissen, im nächsten Moment ein Leben zu beenden?
So viel Macht! Einen Menschen zu töten, war ein gewaltiger, erhebender Akt. So wie Gott über Zeugung und Geburt entschied, konnte er über das Ende eines Menschen verfügen. Ihm gehörte der letzte, angstvolle Blick, das Flehen, das ungläubige Staunen über die Banalität des Todes. Nur er vernahm die letzten Worte des Elenden, sein verzweifeltes Gebet, den letzten Atemstoß.
Am liebsten tötete Rantzau mit den Händen. Er verletzte sein Opfer mit dem Degen oder Dolch, dann sprang er vom Pferd und würgte den Verletzten. Er legte die Hände um dessen Kehle und drückte zu, fester und fester. Er spürte den Kehlkopf des anderen, den knöchernen Widerstand, das Zucken, den verzweifelten Versuch, nach Luft zu schnappen. In diesem Augenblick – zwischen Leben und Tod – sah er dem Sterbenden in die Augen und er meinte, Gottes Herrlichkeit darin zu erblicken. Das war der Moment, nach dem alle Welt gierte und er hatte das letzte Geheimnis gefunden. Der Rausch, köstlicher noch als jeder erzwungene Akt, hielt lange vor.
Und niemals quälte ihn sein Gewissen. Es war Gott, der ihm diesen Plan eingeflüstert hatte, dachte er. Gott, der ihm immer neue Opfer zuführte. Und Gott, der ihn nun für seine Taten belohnte. Ja, es war gut und gerecht, was er in den Wäldern vollbracht hatte, denn Gott entlohnte ihn mit dem Gefühl der Macht und Unfehlbarkeit. Vor Gottes Jüngstem Gericht stünde er als Gerechter da.
Ritter Rantzau – Sonderermittler des Herzogs. Doch nun galt es, Abschied zu nehmen von seinen nächtlichen Abenteuern. Der Plan musste vollendet werden. Der große Plan … Noch einmal würde es Tote geben, doch dieses Mal mussten andere die Aufgabe übernehmen.
Als es an der Tür klopfte, atmete er tief aus. Siegward war zurück, einer seiner treuesten Gefährten. Der Bursche hatte in seinem Auftrag Söldner gedungen, denen er das Kostüm der Vollmondbande überstülpen wollte.
Siegward nickte, als er eintrat. Rantzau wusste, dass er nicht fragen müsste, wo dieser die Männer gefunden hatte. Verlorene Gestalten gab es im Land zuhauf, der Krieg hatte sie in die Gosse gespült. Und die meisten waren bereit, für eine Handvoll Münzen zu töten.
»Wie viele sind es?«, fragte er.
»Fünf Männer …«
»Schaffen sie es?«
Siegward zuckte mit den Achseln. »Das Töten ist ihr Handwerk.«
»Und das Siegen ist unser Metier.«
Christian Rantzau hielt dem Getreuen das herzogliche Schreiben entgegen.
»Wir werden die Burschen also auf frischer Tat ertappen und der herzoglichen Gerichtsbarkeit überstellen.«
Ein schmales Lächeln umspielte Siegwards Lippen, er hatte verstanden. Bewundernd sah er ihn an.
»Dann geht Euer Plan auf, Herr?«
Rantzau nickte, wieder fiel sein Blick auf das Rantzausche Wappen. »Ich führe die Ritterschaft zu alter Stärke zurück«, flüsterte
Weitere Kostenlose Bücher