Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
und
rechts an ihren Kopf, zog ihn zu sich heran und küßte sie
leicht zum Abschied.
Morgenstern stöhnte. Bar jeder Zauberkräfte hingen
ihre Hände schlaff herab.
Wolfstern hob den Kopf. »Gehabt Euch wohl, meine
Schöne«, flüsterte er, preßte seine Hände immer stärker
zusammen und zerdrückte ihren Kopf so mühelos wie
eine Eierschale.
Als er sie vorsichtig zu Boden sinken ließ, fing Cae
lum an zu schreien.
Erst jetzt erhoben sich die fünf Alaunt, die bis dahin
ruhig im Zelt geschlafen und sich nicht von Wolfsterns
Anwesenheit und Unterhaltung mit Morgenstern hatten
stören lassen. Sie bildeten einen Ring um die Wiege des
Knaben.
»Wie eigenartig«, murmelte Sternenströmer und hob den
Blick von dem Buch, das er gerade seinem Sohn zeigte.
»Ich spüre einen Verlust, eine Leere, weiß aber nicht
warum.«
Der Krieger sah ihn fragend an, aber sein Vater schüttelte nur den Kopf und erklärte ihm weiter, auf welch
sensationellen Fund er gerade wieder gestoßen war.
Wolfstern eilte durch die Zeltreihen und ärgerte sich
sehr, daß er enttarnt worden war, und auch ein wenig
darüber, daß er Morgenstern umgebracht hatte.
Schließlich hatte sie zu den Sonnenfliegern gehört, und
an der eigenen Familie hatte er sich nicht vergreifen
wollen.
In seiner Bestürzung vergaß er sogar für eine Minute,
sein Antlitz wieder zu verhüllen.
Ohne darauf zu achten, wohin ihn seine Schritte führten, und verfolgt von Caelums Geschrei, bog er in eine
Seitenstraße ab und lief Jack in die Arme.
Der Schweinehirt prallte völlig verblüfft einen Schritt
zurück und stammelte: »Meister!«
Wolfstern legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Mein
Freund, hört mir gut zu. Es hat einige unerfreuliche Vorgänge gegeben. Erwähnt mit keinem Wort, daß Ihr mich
gesehen habt.«
Jack starrte ihn immer noch mit großen Augen an und
senkte das Haupt. »Wie Ihr wünscht, Meister.«
Einen Augenblick später war von Wolfstern nichts
mehr zu sehen.
»Schaut nur!« rief Sternenströmer einige Minuten später
und deutete auf eine Buchillustration, »Ihr seht hier eine
Darstellung der Vierten Ordnung der …«
»AXIS!«
Die beiden Männer fuhren zusammen. Das war Aschure, und sie brüllte in höchstem Entsetzen.
»Axis! Axis!«
Vater und Sohn ließen die Bücher fallen, die sie gerade in den Händen gehalten hatten, und liefen nach draußen.
Die junge Frau kam über die Lagerstraße auf sie zugerannt. Caelum schrie in ihren Armen wie am Spieß, und
fünf Alaunt folgten den beiden auf dem Fuße.
»Axis …« Vor Schreck konnte sie nur stoßweise atmen und brachte kein vernünftiges Wort über die Lippen.
Vom ebenfalls entsetzten Caelum konnte der Krieger
genausowenig erfahren.
Er schüttelte sie an den Schultern. »Aschure, was ist
mit Euch? Was ist geschehen?«
»Morgenstern!« entfuhr es Sternenströmer leise, und
er richtete seinen Blick auf das Zelt seines Sohnes, das
drei oder vier Reihen von ihnen entfernt stand.
Die junge Frau konnte immer noch nicht sprechen und
brach in Tränen aus.
Axis wechselte einen überaus besorgten Blick mit seinem Vater, und schon stürmten die beiden, so schnell sie
konnten, zum Zelt.
Die Männer machten einen Schritt in das Zelt hinein
und blieben dann so jählings stehen, als wären sie gegen
eine Mauer geprallt. Morgenstern lag dort auf dem Boden. Die Arme ruhten an ihren Seiten, so als habe jemand
Wert darauf gelegt, sie ordentlich herzurichten. Aber wo
einmal ihr Kopf gewesen war, zeigte sich jetzt nur noch
eine formlose Masse aus Blut, Knochenstücken und
Hirngewebe. Irgend etwas hatte ihr den Schädel vollkommen zerquetscht. Selbst Axis, der auf den Schlachtfeldern schon so manche gräßliche Wunde gesehen hatte,
mußte gegen aufsteigende Übelkeit ankämpfen.
Aschure stolperte jetzt ins Zelt und hielt Caelum so,
daß er seine Großmutter nicht sehen konnte. Zwischen
Schluchzern entrangen sich einzelne Worte ihrer Kehle:
»Ich war … gerade auf dem Rückweg … als ich … Caelum schreien hörte … und da … und da bin ich gelaufen
… und gelaufen … und fand … ich wußte nicht … was
ich tun sollte … was hätte ich … ich denn auch tun können … also nahm … nahm ich mir Caelum … und bin …
bin … bin … weggerannt …«
Axis drehte sich zu ihr um und legte seinen Arm um
ihre Schulter. In diesem Moment erschienen Belial, Magariz, Rivkah, Isgriff und Embeth. Sie alle drängten ins
Zelt und fuhren ebensosehr entsetzt vor Morgensterns
Anblick
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