Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
gekannt, die er nur einmal bei den Alten
Grabhügeln unter den Sternen geküßt hatte. Und im
nächsten Moment schon rang er mit seinem schlechten
Gewissen, daß sein Körper Aschure so willig zu betrügen
bereit war.
Faraday lachte, als der Krieger sie endlich an sich riß.
Doch als er sie dann vor dem Kaminfeuer liebte, ahnte
sie nichts davon, daß seine heftige Leidenschaft vor allem sein schlechtes Gewissen Aschure gegenüber betäuben sollte. Axis mußte alle Selbstbeherrschung aufbieten,
um nicht in allerhöchster Wonne Aschures Namen auszurufen. Und als es vorüber war und Axis entspannt neben
ihr lag, dachte Faraday, er habe vor Lust geschrieen –
und nicht um der Liebe willen, die er betrogen hatte.
Niemand, weder Belial noch Rivkah und nicht einmal die
Wächter, hatten bislang Faraday gegenüber auch nur ein
Sterbenswörtchen über Aschure oder Caelum gesagt.
Und als schließlich alles an den Tag kam, nahm sie es
ihnen sehr übel, daß sie sie nicht gewarnt hatten. Ihr
nichts erzählt hatten.
So wie das Geheimnis um den Erfolg der Prophezeiung, so hielt Faraday auch Axis’ Schicksal in ihren Händen.
27 E IN
G
ELÖBNIS ZERBRICHT
Timozel verbrachte die Nacht damit, nach Faraday zu
suchen. Mit verkniffener Miene durchstreifte er die Gänge des Palastes zu Karlon. Bornheld war ein guter
Mensch gewesen. Ein sehr guter sogar. Und ein mutiger.
Ein wahrer Ritter. Daß er auf diese Weise hatte sterben
müssen, unterstrich in Timozels Augen noch seine Tapferkeit.
Für ihn spielte es längst keine Rolle mehr, daß der
König seinen Visionen nicht hatte zuhören wollen, daß er
sich geweigert hatte, ihm den Befehl über sein Heer zu
übertragen.
Hin und wieder, während er durch die Gänge schlich,
mußte der Jüngling sich flach an die Wand drücken, um
nicht einem der Unaussprechlichen über den Weg zu
laufen, die sich ganz ungeniert im Palast bewegten. Geschmeiß, flüsterte es in seinen Gedanken, Unrat! Schon
besudelten sie die Residenz des Königs, und nicht mehr
lange, dann besaßen sie die Vorherrschaft über das ganze
Land! Zum Winteranfang würde alles zunichte sein, was
der Seneschall in mühevoller Arbeit aufgebaut hatte. Und
bevor dieses Jahr sich dem Ende neigte, würden die Unaussprechlichen wieder die braven Bürger Achars versklavt haben.
Alles war dahin, lag in Trümmern. Mit Bornhelds Tod
hatte der endgültige Zusammenbruch eingesetzt. Timozels Welt mußte seitdem ohne Licht auskommen.
Er hatte dringend mit Faraday zu sprechen. Um sie
daran zu erinnern, das Andenken ihres toten Gemahls zu
ehren. Um ihr ins Bewußtsein zu rufen, daß sich für eine
Königinwitwe nur noch ein Leben geziemte, das in Abgeschiedenheit und Beschaulichkeit in einer Zuflucht
fernab allen Trubels stattfand. Er durfte Faraday jetzt
nicht alleinlassen. Seine Pflicht war es, ihr eine moralische Stütze zu sein. Vor allem dann, wenn Axis sich in
ihrer Nähe aufhielt.
Der Jüngling stieß schließlich auf Yr – das Flittchen
kam jetzt, im ersten Morgenlicht, aus einem Kasernengebäude – und fragte sie, wo Faraday zu finden sei.
Die Katzenfrau sah ihn an, als verstehe sie nicht, wie
jemand eine solche Frage stellen konnte. »Natürlich bei
Axis, wo denn sonst? Letzte Nacht haben sich so einige
verlorene Lieben wiedergefunden: Abendlied und Freierfall, Jack und Zecherach und natürlich Axis und …«
»Nein!« rief Timozel und geriet so außer sich, daß er
Yr am liebsten geschlagen hätte. Aber ihre Augen blitzten so gefährlich blau leuchtend auf, daß er vor ihr zurückwich.
»Wagt es ja nicht, die Hand gegen mich zu erheben!«
zischte sie ihn an, und der Jüngling zog sich noch einen
Schritt weiter von ihr zurück. »Nun, da wir fünf wieder
vereint und vollständig sind, hat sich unsere Macht um ein
Vielfaches vergrößert. Wir werden die Waffe sein, mit der
der Sternenmann Gorgrael bezwingt! Laßt es Euch deshalb nicht im Traum einfallen, mich zu schlagen!«
Gorgrael! Timozels Miene verdunkelte sich vor neu
entbrannter Furcht. Er ließ die Katzenfrau einfach stehen
und lief eilig ins Haus zurück.
Yr schaute ihm zutiefst verwirrt hinterher.
Der Ritter durchsuchte jetzt die Gästequartiere. In den
meisten Gemächern hatte er bereits nachgesehen und
Schlafende mit seinem unangemeldeten Eintreten und
wortlosen Verschwinden aufgeschreckt. Timozel fühlte
sich davon angewidert, so viele Edeldamen anzutreffen,
die sich dazu erniedrigt hatten, mit einer von den üblen
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