Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
Weitere Verstärkungen aus Koroleas seien bei ihm eingetroffen, und der
Oberste Heerführer habe jeden kriegstauglichen Mann im
Umkreis von hundertfünfzig Meilen um Jervois ausgehoben.
»Wir sollten uns in Marsch setzen, ehe Euer Bruder
das tut«, drängte Belial leise.
»Und bevor Gorgrael Gelegenheit gefunden hat, eine
Armee von diesen neuen, gepanzerten Skrälingen auszubrüten«, murmelte der Krieger.
Der dunkle Fremde erreichte die Burg. Trotz der milden
Luft in Sigholt fror ihn, und er vermißte seine Heimat.
Würde er sie je wiedersehen?
Der Wächter am Burgtor beäugte ihn mißtrauisch. Der
merkwürdige Gang des Mannes gefiel ihm genausowenig
wie die tief ins Gesicht gezogene Kapuze. »Was ist Euer
Begehr?« fragte er den Fremden mit strenger Stimme, als
dieser ihn erreichte.
Der Mann warf die Kapuze zurück, und der Wächter
erstarrte vor Überraschung und Bestürzung.
»Ich bin gekommen, um mich Axis Sonnenflieger und
Aschure, der Frau mit dem Wolfen, anzuschließen. Mein
Auftrag drängt mich, mit ihnen nach Süden zu reisen.«
Dem Besucher mochte es zwar gelungen sein, über die
Brücke zu kommen, aber der Wächter war immer noch
vorsichtig. Er wollte ihn schon fortschicken und die
Schranke schließen, als plötzlich hinter ihm Schritte zu
hören waren.
»Ich bürge für diesen Mann«, erklärte Ogden. »Er ist
reinen Herzens und ein Freund von Axis und Aschure.«
»Und ich bürge ebenfalls für ihn«, ließ Veremund sich
vernehmen. »Er ist ein guter Mann und unabdingbar für
Axis Sonnenflieger und die Prophezeiung.«
Und so wurde eine neue Seite im Buch der Prophezeiung aufgeschlagen.
Der Krieger wartete, bis der Tanz vorüber war und winkte dann seine Mutter zu sich. Sie erschien atemlos und
mit geröteten Wangen, aber mit einem Strahlen in den
Augen.
»Den Hey-de-Guy habe ich seit über dreißig Jahren
nicht mehr getanzt. Ich konnte mich kaum noch an die
Schrittfolge erinnern.« Sie lachte froh, als Magariz nun
zu ihr trat. »Und meinem edlen Fürsten erging es wohl
nicht besser, wenn ich seine tastenden Versuche richtig
verstanden habe.«
»Ein Soldat verlernt rasch höfisches Brauchtum, Herrin«, entgegnete Magariz. »Ich will auch gar nicht so
weit gehen und allein mein lahmes Bein für meine mangelhafte Darbietung verantwortlich machen.«
Axis betrachtete die beiden amüsiert. Bei den Bemerkungen über ihre jeweiligen Tanzkünste handelte es sich
bloß um Frotzeleien. Denn der Fürst war der mit Abstand
beste Tänzer heute abend gewesen, und Rivkah hatte sich
mit Leichtigkeit aller Schrittfolgen erinnert.
Der Krieger füllte sein Glas und gab den Ikariern ein
Zeichen. Sofort verstummte ihre Musik, und mit ihr verging auch das fröhliche Geplauder in der Halle. Alle
wußten, daß der Sternenmann sie heute abend zu einer
Ansprache eingeladen hatte. Die meisten glaubten zu
wissen, was er ihnen verkünden wollte.
Axis trat vor. In seinen prächtigen Gewändern bot er
einen beeindruckenden Anblick. Als er auf dem Podium
stand, streckte er eine Hand nach Aschure aus. Alle sollten wissen, daß sie ihm gleichgestellt war. Die junge
Frau zögerte einen Moment, trat dann aber zu ihm und
ergriff seine Hand. Der Krieger lächelte ihr zu, bevor er
sich an die Gästeschar wandte.
»Dies ist ein ganz besonderer Abend, und wir sind aus
mehreren Anlässen hier zusammengekommen. Zum einen begehen wir den Namenstag meiner Mutter Rivkah,
und ich möchte diese Gelegenheit auch gleich wahrnehmen, um die Prinzessin nach so langer Zeit im Exil in
ihrer alten Heimat Achar zu begrüßen. Seid uns willkommen, Rivkah.«
Seine Mutter neigte dankend das Haupt.
»Auf die Prinzessin!« riefen die Gäste und hoben ihre
Gläser.
»Als nächstes möchte ich Euch, meinen Freunden, für
all das danken, was Ihr im zurückliegenden Winter für
mich und Achar geleistet habt. Das Land verdankt seine
vorläufige Befreiung von Gorgraels Kreaturen nicht zuletzt den Offizieren, die heute hier versammelt sind, ganz
besonders aber der ikarischen Luftarmada. Mein Dank
Euch allen.«
Der Krieger hielt inne und ließ den Blick über die
Menge schweifen. Seine Miene wirkte angespannt und
wartend.
An der Tür zögerte der dunkle Fremde, denn in solcher Gesellschaft fühlte er sich nicht wohl. Er spähte
vorsichtig nach vorn und entdeckte das Podium, auf dem
Axis und Aschure standen. Die beiden wirkten wie Sonne und Mond, Axis golden und durchdrungen von Lebendigkeit und Aschure, dunkel, bleich und
Weitere Kostenlose Bücher