Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
eine oder andere Dirne. Hier im Troß ritten auch die Rabenbunderinnen, die mit der Armee zogen – die Mehrzahl der Kinder und Frauen war allerdings in Sigholt und
der Stadt Seeblick zurückgeblieben.
Auf den Wagen saßen die ikarischen Zauberer, die mit
dem Krieger in den Süden wollten, unter ihnen auch
Sternenströmer und Morgenstern. Axis machte sich immer noch Sorgen der Greifen wegen. Die Armee wälzte
sich endlos lange dahin, und so konnte es vorkommen,
daß die Geschwader sich aufteilen mußten, um die ganze
Kolonne von oben überwachen zu können. War das der
Fall, oder flogen sie voraus, das Terrain vor ihnen zu
sondieren, mußten die Zauberer zum Tross überwechseln. Zu dessen besonderem Schutz marschierten hier
auch zwei Pelotone von Aschures Bogenschützen und
einige Einheiten Berittener mit.
An der Spitze dieser Nachhut ritten die Wächter Ogden und Veremund auf ihren geduldigen weißen Eseln
und Jack auf einer ruhigen braunen Stute. Im ersten Wagen fuhr Ramu, der ständig von Fieberanfällen geschüttelt wurde und immer verzweifelter wurde. Die beiden
Mönche hatten Axis und Aschure mit der Erklärung beruhigt, daß der awarische Magier sich in einen Gehörnten
verwandle und dieser Übergang auf eine noch unerklärliche Weise mit Faraday zusammenhänge. Normalerweise
hätte Ramu in diesem Zustand Awarinheim nie verlassen,
aber er mußte unbedingt die Baumfreundin erreichen,
stellte sie doch den Schlüssel zu seiner erfolgreichen
Umwandlung dar.
Der Kopf des Awaren sah aus, als hätte ein Riese ihn
mit den Händen zerquetscht und dann notdürftig wieder
neu geformt. Seine Stirn wölbte sich an mehreren Stellen
vor und war mit hellem Flaum bedeckt. Oberhalb des
Haaransatzes schienen Knochen zu wachsen; je nachdem, wie das Licht darauf fiel, glänzten sie. Ramus Nase
hatte sich verlängert und war in die Breite gegangen, sein
Mund war verzerrt, als würde er immerzu grinsen, und
die Zähne hatten sich in gelbe quaderförmige Gebilde
verwandelt. Nur die schwarzen Augen, die freundlich
unter den dichten Brauen hervorlugten, paßten nicht zu
seinem erschreckenden Aussehen. Aschure sagte sich,
daß der Magier trotz seines veränderten Äußeren im Wesen immer noch derselbe geblieben war.
Die Offizierin ritt meistens mit ihren Bogenschützen
inmitten der Kolonne. Gelegentlich blieb sie aber auch
mit Venator zurück, um sich dem Troß anzuschließen.
Nur Caelum ließ sie keinen Moment allein; wie gewöhnlich lag er in seinem Tragtuch eng an ihren Rücken geschmiegt. Der Wolfen hing über ihrer Schulter, und die
getreuen Alaunt sprangen unablässig um sie herum. Die
Hunde freuten sich sehr, aus der Enge der Burg hinaus zu
sein und über die Weite der Ebenen jagen zu können.
Der Sternenmann blieb in der Regel an der Spitze seines Heeres. Manchmal hielten sich Belial und Magariz
bei ihm auf, ritten aber auch oft in der Mitte der Kolonne,
um die Soldaten aufzumuntern. Und sie ritten von Zeit zu
Zeit auch ein Stück Wegs mit den Rabenbundern. Alle
zehntausend Kämpfer saßen auf kräftigen gelben Ponys,
den Pferden der nördlichen Eiswüsten. Trotz der Glöckchen verursachten sie beim Marsch nur wenig Lärm.
Axis hatte fünfhundert Mann zum Schutz der Festung
und der Stadt am See zurückgelassen und dem zwar
kranken, ansonsten aber doch wieder recht munteren
Roland den Oberbefehl übertragen. Der Herzog hatte ihm
versprochen, mindestens noch so lange am Leben zu
bleiben, bis der Krieger seinen Anspruch auf den Thron
durchgesetzt habe.
Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht hatte Axis
damit verbracht, zusammen mit der Brücke Schutzzauber
um Sigholt und das Umland zu weben. Danach war er
vor Erschöpfung zusammengebrochen und hatte achtundvierzig Stunden lang durchgeschlafen. Seitdem umgab ein dichter blauer Nebel Sigholt, den See und die
Hügel. Doch in seinen Innerem genossen die Bewohner
weiterhin die gewohnte klare und warme Frühlingsluft.
Zur Erschaffung dieses Nebels hatte der Krieger verschiedene Lieder der Feuchtigkeit und des Wirrwarrs
gesungen. Jeder Fremde, der zur Burg wollte, würde
stundenlang im Kreis umherirren und sich danach noch
weniger auskennen als zuvor. Nur diejenigen, welche der
Brücke bekannt waren, würden den Weg durch den blauen Dunst finden.
Nachdem er Sigholt derart gesichert hatte, konnte der
Sternenmann beruhigt aufbrechen. Endlich, so dachte er
erleichtert, geht es wieder weiter. Wenn Axis nicht bis
zum Beinmond, also in einem
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