Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
juwelenbesetzten Zeichen des
Pflugs an der langen goldenen Halskette. »Nein, ich war
nicht dabei, als Ihr Gorken verloren habt«, erwiderte er.
»Und ich habe auch nicht zugesehen, wie Ihr Euch von
den Unaussprechlichen helfen lassen mußtet, um die
Skrälinge vor Jervois zu verjagen. Mir wurde auch nur
durch Boten zugetragen, daß Ihr Eure halbe Armee verloren habt, als die Rabenbunder ihre Sachen zusammenpackten und Euch bei Nacht und Nebel verließen.
Verzeiht mir, Bornheld, aber wenn ich dort gewesen
wäre, hätte ich dafür gesorgt, diese Wilden unter Bewachung zu stellen, damit sie mir nicht auf der Nase herumtanzen!«
Der König ballte empört die Fäuste, und es kostete ihn
eine gewaltige Anstrengung, den Bruderführer nicht ins
Gesicht zu schlagen. »Die Rabenbunder stellten nur ein
Drittel meines Heeres, und ich habe sie bewachen lassen«, entgegnete er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Aber diese Barbaren leben schon seit zu langer Zeit in
unmittelbarer Nachbarschaft der Unaussprechlichen, und
wahrscheinlich haben sie von ihnen den einen oder anderen Zaubertrick gelernt. Denn nur auf diese Weise konnten sie meinen Wachen ungesehen entkommen.«
»Wenn ich recht unterrichtet bin, Euer Majestät, stehen Euch immer noch zwanzigtausend Mann zur Verfügung. Da begreife ich nicht, warum Ihr ein solch
gewaltiges Heer in Karlon fett und träge werden laßt,
während Axis nach Belieben durch den Osten und den
Süden zieht! Oder bereitet es Euch am Ende Freude,
dabei zuzusehen, wie die Unaussprechlichen wieder über
das Land herfallen, aus dem der Seneschall sie vor tausend Jahren vertrieben hat?«
Auch Jayme konnte sich jetzt kaum noch beherrschen.
Was dachte Bornheld sich eigentlich dabei, seinem Bruder kampflos halb Achar zu überlassen? Den Bruderführer scherte es wenig, daß sein eigener Berater, Gilbert,
dem König zugeredet hatte, mit seiner Armee nach Karlon zu ziehen. Er wollte, daß Axis aufgehalten wurde.
Mit allen Mitteln.
»Ich darf die Hauptstadt nicht entblößen und an die
Rebellen verlieren«, entgegnete der König. »Und genau
dazu wird es kommen, wenn ich nach Osten marschiere,
ohne auch nur eine Vorstellung davon zu haben, wo sich
dieser verwünschte Kerl gerade aufhält. Axis wird über
kurz oder lang hier auftauchen. Er kann gar nicht anders,
wenn er immer noch den Thron erobern will.« Bornheld
ließ sich wieder in seinem Sessel nieder. »Und deshalb
bleibe ich einfach hier und erwarte ihn. Wenn er dann
vor der Hauptstadt erscheint, sind seine Truppen müde
und erschöpft, haben Blasen an den Füßen und von den
vielen Schlachten, die sie unterwegs schlagen mußten,
ein Dutzend Wunden davongetragen. Meine Soldaten
hingegen können ihnen frisch und ausgeruht entgegentreten.«
Jayme schüttelte langsam den Kopf und starrte den
König enttäuscht an. Moryson und er waren immer der
Überzeugung gewesen, mit Bornheld den besten Mann
auf den Thron gesetzt zu haben, mit ihm einen König zu
haben, der den Seneschall wirksam schützte. Aber wie
sollte die Kirche jetzt überleben, wenn Axis mit seiner
Armee durch die Ebene von Tare marschierte, um die
Hauptstadt anzugreifen?
»Muß ich Euch daran erinnern, Bornheld, daß der
Turm des Seneschalls auf der anderen Seite des Gralsees
steht? Der Rebell könnte die gesamte Bruderschaft getötet haben, bevor Ihr auch nur mit Eurem Heer zum Stadttor hinaus wärt!«
»Darüber braucht aber nicht Ihr Euch den Kopf zu
zerbrechen«, erwiderte der König. »Ihr verbringt doch
ohnehin den Großteil Eurer Zeit hier bei mir im Palast.
Zusammen mit Euren beiden Beratern. Aber macht Euch
keine Sorgen. Ich werde Axis auf der Ebene von Tare
entgegenziehen und die Entscheidungsschlacht weit weg
von Eurem weißen Turm schlagen.«
Der Bruderführer sammelte seine Gedanken. Seit einiger Zeit lief alles seinen Plänen zuwider. Er erinnerte
sich an die Zeit, die nun so fern schien, als die ersten
Meldungen aus dem Norden gekommen waren. Von
merkwürdigen Geisterwesen, die einen schwerbewaffneten Soldaten in Sekundenschnelle auffraßen. Wie hätte
Jayme damals die daraus folgenden Katastrophen erahnen sollen, die heute das Königreich als Ganzes bedrohten? Ichtar, das größte Herzogtum Achars, war an
Gorgrael verloren. Und bald würde man auch des ganzen
Gebiets östlich des Nordra verlustig gehen, diesmal an
die Unaussprechlichen und ihren verräterischen General.
Und was blieb ihnen dann noch? Das Stückchen Land
westlich
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