Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
des Nordra. Die rosafarbene und goldene Hauptstadt …
»Nacht höre ich das Wimmern und die Schreie der
armen Seelen, die von Axis und seinen Horden Unaussprechlicher überwältigt worden sind. Wißt Ihr, was diese Höllenbrut den Menschen antut? Könnt Ihr Euch
ausmalen, was die armen Bürger von Skarabost erdulden
mußten, als die Rebellen Dorf für Dorf eroberten? Kinder
werden diesen geflügelten Echsen geopfert, die Euer
Bruder seine Freunde nennt! Frauen werden gezwungen,
diesen Kreaturen zu Willen zu sein, und getötet. Die
Männer müssen hilflos mit ansehen, wie man ihre Familien auslöscht. Dann schlitzt man ihnen die Bäuche auf
und hängt sie an ihren eigenen Eingeweiden an Pfosten
und Türrahmen auf, wo sie elendiglich an Gram und
Schmerz zugrunde gehen! Läßt Euch so etwas denn völlig kalt, Bornheld? Wie könnt Ihr nur hier herumsitzen
und sagen, Ihr wartet, bis der Krieger kommt? Artor wird
Euch dafür zur Verantwortung ziehen!«
Doch der König war mit seinen Gedanken ganz woanders und begann zu zittern. Seit seiner Rückkehr in die
Hauptstadt litt er Nacht für Nacht an Alpträumen. Darin
hielten ihm unbekannte bleiche Hände eine verzauberte
Schale hin und drängten ihn daraus zu trinken. Bornheld
träumte auch davon, daß er durch die Gänge und Hallen
seines Palasts lief und auf Schritt und Tritt vom Getuschel und Gelächter seines Hofstaats verfolgt wurde.
Manchmal erschien ihm auch eine grimmige Frau mit
dunklem Haar und rabenschwarzen Augen, die an einem
Tisch saß. Darauf standen zwei kleine Gefäße, und hinter
ihr erhob sich ein Lichtgeviert. Gegen seinen Willen
schritt er auf sie zu, und sie lachte, als sie ihn sah: »Ich
habe Euch schon hier erwartet, Herzog von Ichtar.«
Vergeblich wies er sie darauf hin, daß er nicht länger
Herzog, sondern König sei.
»Euer Blut verrät Euch als Fürst von Ichtar«, flüsterte
die dunkle Frau. »Und damit verdammt es Euch. Euer
Tod naht aus dem Osten. Haltet nach ihm Ausschau.«
Bornheld zitterte jetzt am ganzen Körper. Wieder
starrte er zum Fenster hinaus und glaubte schon, Axis in
den Wolkenbergen zu erkennen, die von Norden heranzogen.
Faraday war schon fast eingenickt, während Yr ihr noch
das Haar bürstete. Anders als ihr Gemahl oder der Bruderführer sah sie das langsame, aber unaufhaltsame Näherrücken von Axis und seiner Armee als Segen an, als Gnade
der Mutter. Denn Faraday hatte ihren Glauben an Artor
und dessen grausame Art schon lange abgelegt. Mit jedem
Tag tauchten neue Gerüchte in den Straßen von Karlon
auf. Der Krieger habe in den Farnbergen einen Sieg errungen, wie ihn selbst die Götter noch nicht gesehen hätten,
und marschiere nun durch Arkness. Andere wollten wissen, daß man Axis und seine Streitmacht auf einer Lichtung in den Farnbergen gestellt und in den dortigen See
abgedrängt habe, wo die Rebellen mit Mann und Maus
ertrunken seien, darüber konnte Faraday nur lachen. Oder
aber der Sternenmann habe in Skarabost ein neues Land
für alle Völker ausgerufen. Hatte er Tencendor jetzt schon
wiedererstehen lassen? Die junge Frau hatte immer geglaubt, er wollte damit warten, bis er die Hauptstadt eingenommen hatte und zu ihr zurückgekehrt war.
Yr versorgte sie mit anderen Geschichten. Die ließ sie
sich vom Hauptmann der Wache erzählen, einem gutaussehenden und sehr männlichen Offizier. Und dessen Berichte beruhten größtenteils auf der Wahrheit und
lauteten, daß Axis durch Skarabost gen Süden zog.
»Und woran denkt Ihr gerade, meine Liebe?« fragte
die Katzenfrau, während sie langsam und gleichmäßig
das glänzende rotblonde Haar der Königin bürstete.
»Ihr wißt sehr wohl, daß ich an Axis denke. Seit Tagen geht mir ja schon nichts anderes mehr durch den
Kopf.«
Der König war vor einem Monat in seine Hauptstadt
zurückgekehrt. Gleich nach seiner Ankunft hatte er Faraday zu sich kommen lassen und sie von ihren Regierungspflichten entbunden – ohne auch nur ein Wort des
Dankes dafür zu finden, daß sie die Zügel des Königreichs in der Hand gehalten hatte, während er gegen die
Skrälinge gekämpft hatte. Dann hatte er sich noch kurz
nach ihrem gesundheitlichen Befinden erkundigt und ihr
schließlich erlaubt, sich zurückzuziehen. Trotz ihrer langen Trennung schien ihm auch nichts mehr daran zu
liegen, Faraday an ihre ehelichen Pflichten zu erinnern.
Wie sie bald erfahren sollte, hielt er sich mittlerweile
eine Mätresse. Ausgerechnet die tief dekolletierte
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