Der Sternenwald
Menschen im Spiralarm sein – und es befindet sich immer ein grüner Priester in deiner Nähe, wenn du mit jemandem auf Theroc sprechen möchtest.« Er runzelte die Stirn. »Warum solltest du Anteilnahme erwarten? Sei kein weinerliches Kind.«
Estarra sah Rossias sonderbaren Gesichtsausdruck und dachte über seine Worte nach. Nach einigen Sekunden seufzte sie erst und lachte dann, roch die vielen Düfte des Weltwaldes in der frischen, würzigen Luft. »Na schön, Rossia. Vielleicht bleibe ich unvoreingenommen und warte, bis ich König Peter begegne, bevor ich mir ein Urteil bilde.«
61 BENETO
Auf Corvus Landing saß Beneto zwischen den Weltbäumen seines Hains und lauschte im Telkontakt dem flüsternden Informationsstrom. Seit dem Pflanzen der ersten Bäume war ein regelrechter Wald entstanden, der über die Hügelhänge hinweg bis ins nächste Tal reichte. Beneto freute sich, vor dem Hintergrund aus Neuigkeiten, Gedanken und Fragen eine Nachricht von seiner Schwester Estarra zu empfangen, übermittelt vom grünen Priester Rossia.
Auf dem fernen Planeten Theroc wartete Estarra, während Rossia schuppige Rinde berührte und ihre Worte für den Baum wiederholte. Auf Corvus Landing tasteten Benetos Finger ebenfalls nach dem Stamm eines Weltbaums und er hörte, was ihm seine Schwester mitteilte.
»Ich werde Theroc verlassen und auf der Erde leben, Beneto. Ich soll König Peter heiraten. Kannst du dir das vorstellen?«
Den Worten fehlten Hinweise auf Emotionalität, denn sie wurden von Rossia gesprochen und durch die Verbindung der Weltbäume wiederholt. »Du heiratest, kleine Schwester? Ich erinnere mich an ein unternehmungslustiges Mädchen, das gern durch den Wald lief. Wie kannst du alt genug sein, um eine Königin zu werden?«
»Du bist seit fünf Jahren fort, Beneto. Inzwischen bin ich erwachsen.«
»Tatsächlich?« Beneto atmete die saubere Luft von Corvus Landing tief ein. Er vermisste die hohen Baumwipfel von Theroc, aber er liebte die sanfte Ruhe dieser Welt. Seinen Beschluss, hierher zu kommen, bereute er nicht, doch er hätte Estarra gern vom Mädchen zu einer jungen Frau heranwachsen sehen.
»Und was hältst du davon, Estarra? Gefällt es dir, Theroc zu verlassen, die Ehefrau eines Königs zu werden und in einem Palast auf der Erde zu leben?«
»Zuerst war ich verärgert, aber Rossia hat mir darüber hinweggeholfen. Ich habe entschieden, die Begegnung mit dem König abzuwarten. In einem Monat fliege ich mit Sarein zur Erde.«
Beneto lächelte. »Ich wette, Sarein ist neidisch, weil du plötzlich im Mittelpunkt stehst.« Er spreizte die Finger am Stamm des Weltbaums. »Wenn du auf der Erde bist, kann dir der grüne Priester Nahton im Flüsterpalast Gespräche mit mir ermöglichen. Der Wald weiß immer, wo ich zu finden bin.«
Er glaubte, Estarras Wärme zu spüren, als sie erwiderte: »Es ist schön, das zu wissen, Beneto. Jetzt fühle ich mich viel besser.«
Er lauschte durch den Telkontakt. Um ihn herum flüsterten die Bäume. Stimmen raunten in tausend verschiedenen Kanälen, doch Beneto konzentrierte sich auf keine von ihnen. Der Weltwald enthielt zu viele Informationen für eine einzige Person.
Schließlich verabschiedeten sich Bruder und Schwester voneinander. Rossia und Beneto unterbrachen ihre Telkontakt-Verbindung, obgleich die Blattwedel des Weltwaldes auch weiterhin auf vielen Welten flüsterten und von mehr Geheimnissen berichteten, als irgendein grüner Priester ahnte.
Zusammen mit Sam Hendy ging Beneto über die äußeren Felder. Der dickbäuchige Bürgermeister trug einen fleckigen, aber bequem sitzenden Overall, in dessen Taschen Reparaturwerkzeuge steckten.
Beneto trug nur eine kurze Hose. Er ging barfuß und Getreidehalme strichen ihm über die nackten Beine. Er spürte keine mentale Verbindung mit dem genetisch manipulierten Korn, das auf den windigen Ebenen von Corvus Landing wuchs, aber er liebte das Gefühl von Leben, das aus dem Boden kam.
»Wir sind weit vom Krieg entfernt, Bürgermeister, aber ich verfolge den Hydroger-Konflikt mit großem Interesse.« Beneto hatte den Kolonisten von den Angriffen der Hydroger auf Boone’s Crossing, Hyrillka und einige andere wie zufällig ausgewählte Welten berichtet. »Daraus könnten sich Folgen selbst für so abgelegene Planeten wie Corvus Landing ergeben.«
»Wenigstens hat die TVF nicht versucht, unsere jungen Arbeiter zu rekrutieren und Soldaten aus ihnen zu machen.« Der Bürgermeister nahm einen Halm und kaute darauf
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