Der Sternenwald
herum. »Andererseits… Wenn das Militär hier eine Rekrutierung durchführen würde, brächte es vielleicht die Versorgungs- und Ausrüstungsgüter mit, die wir brauchen.«
Der Bürgermeister hinterließ eine Schneise im dichten Korn, als er übers Feld stapfte und sich einem defekten Wettermelder am Zaun näherte. Er betätigte die Kontrollen und justierte einen Detektor für die Messung der Windgeschwindigkeit. »Vor langer Zeit waren Menschen bereit, an Bord von Generationenschiffen zu gehen und jahrhundertelang durchs All zu fliegen, ohne ein klares Ziel. Auf diese Weise wollten wir den Spiralarm kolonisieren, hier und dort auf uns allein gestellt leben. Vielleicht haben wir vergessen, worauf es dabei ankommt. Keine gute Sache, meiner Ansicht nach. Wir sollten zum Wesentlichen zurückkehren.«
Sam Hendy schloss die Klappe des Wettermelders und nahm einen weiteren Getreidehalm, als er zur Siedlung namens Colony Town sah. Ein schachbrettartiges Muster aus Feldern, Weiden und Obstplantagen umgab sie, und natürlich der zum Wald gewordene Hain aus Weltbäumen.
»Auch wenn wir uns auf absehbare Zeit mit Getreide und Ziegenfleisch begnügen müssen, Bürgermeister – wir werden überleben«, sagte Beneto.
An jenem Abend schlief Beneto unter den flüsternden Weltbäumen. Es fiel ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen. Unruhe erfüllte ihn, zum Teil wegen der überraschenden Neuigkeiten in Hinsicht auf Estarras Heirat, aber auch wegen der Nachrichten, die den Hydroger-Konflikt betrafen. Es schien keine Lösung für jenes Problem zu geben. Der Feind war zu fremdartig; niemand verstand ihn.
Er lag auf dem Boden und sah zu den Blattwedeln empor, die sich unabhängig vom Wind bewegten. Der alte Talbun hatte diese Bäume gepflanzt, auf eine lukrative Karriere als Kommunikationsspezialist bei der Hanse verzichtet und stattdessen beschlossen, den Rest seines Lebens auf Corvus Landing zu verbringen.
Beneto bedauerte, dass Talbun nicht mehr lebte – er hätten gern mit ihm über die Krise gesprochen. Von irgendjemandem brauchte er Rat.
Er streckte die Hand aus und berührte den nächsten Stamm. Beneto schloss die Augen und ließ seine Gedanken durch den Telkontakt treiben, ins gesammelte Wissen des Weltwaldes.
Die intelligenten Bäume lebten seit ungezählten Jahrtausenden. Die meiste Zeit über waren sie mit sich allein gewesen, aber während der letzten zweihundert Jahre hatten sie ihr Wissen mithilfe der grünen Priester beträchtlich mehren können. Die im Weltwald enthaltenen Informationen gingen weit über das hinaus, was irgendein Mensch selbst im Telkontakt verarbeiten konnte. In einem so riesigen Ozean aus Daten ließ sich nicht feststellen, wie viel genau die Weltbäume wussten.
Seit dem Erscheinen der Hydroger war das Unbehagen im Weltwald spürbar gewachsen, doch eine Erklärung dafür – oder einen Rat – boten die Weltbäume nicht an. Grüne Priester hatten gefragt, wie die Menschheit den Fremden Widerstand leisten konnte, aber die Bäume waren nicht imstande gewesen zu helfen.
Angesichts des exotischen Ambiente, in dem die Hydroger lebten, hatte Beneto nicht daran gedacht, direktere Fragen zu stellen. Wie konnte der planetengebundene Weltwald über die Tiefen von Gasriesen Bescheid wissen?
Doch jetzt fragte er: Wer sind die Hydroger? Sind die Weltbäume ihnen schon einmal begegnet?
Die Unermesslichkeit des Waldes dachte darüber nach und zu Benetos großer Überraschung gaben die Bäume eine ebenso klare wie erstaunliche Antwort.
Die Hydroger sind unser alter Feind.
62 SAREIN
Fünfzig grüne Priester versammelten sich auf der Lichtung im dichten Weltwald. Sie hätten sich per Telkontakt mit dem Netzwerk des Weltwaldes verbinden können, um jede gewünschte Information zu bekommen, aber stattdessen saßen sie da und warteten aufmerksam.
Dies war Sareins beste Gelegenheit, etwas zu erreichen.
An diesem Tag trug sie keine modische Kleidung von der Erde, sondern traditionelle theronische Tücher und den Zeremonienmantel, den sie von Otema erhalten hatte, vor ihrem Flug nach Ildira. Sarein holte tief Luft und trat neben ihren Bruder Reynald, dazu bereit, ihr Anliegen so gut wie möglich vorzutragen. Vielleicht konnte sie heute Fortschritte für ihre rückständige Welt erzielen.
Sie musterte Vater Reynald mit den Augen einer Botschafterin und einer Schwester – er wirkte eindrucksvoll und mächtig. An seiner Weste aus Kokonfaser glänzten die Rückenschilde von Käfern und Flügel von Kondor
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