Der Sternenwald
früheres Leben erschien ihm wie ein Traum.
Die einzige Person, die er beeindrucken wollte, war Estarra, seine zukünftige Gemahlin. Er fragte sich, wie sie wirklich sein mochte und ob er ihr sein Herz öffnen konnte. Gingen ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf? Würde er es jemals erfahren?
Peter ahnte, was die junge Frau durchmachte, und sie tat ihm Leid. Estarra schien anders zu sein als ihre Schwester Sarein, lieblich und intelligent, bestrebt, Details aufzunehmen. Sie war nicht seicht oder eingeschüchtert, wie er zunächst befürchtet hatte. Aber sie war nicht an so viel Zeremonie gewöhnt, auch nicht daran, dass man alle ihre Bewegungen überwachte – obwohl man sie noch nicht einmal der Öffentlichkeit vorgestellt hatte. Protokollminister planten jede einzelne Sekunde jenes Ereignisses, das in einer Woche stattfinden sollte.
Bisher hatten Peter und Estarra nur lächeln und höfliche Floskeln austauschen können, während neugierige Bedienstete sie belauschten. Peter wünschte sich, mit ihr in einem Zimmer allein zu sein, damit sie sich gegenseitig bemitleiden konnten. An diesem Abend bekamen sie gewiss keine Gelegenheit dazu, aber trotzdem freute er sich, sie zu sehen…
Von sieben Gefolgsleuten begleitet schritt er durch die Flure. Herolde eilten voraus und kündigten ihn immer wieder mit lauten Fanfaren an. Als Peter den Bankettsaal betrat, standen die vielen Würdenträger hastig auf. Kleidung raschelte, Stuhlbeine kratzten über den Boden; Schuhe, Schmuck und Medaillen klackten.
Der König breitete die Arme zu einer Geste des Willkommens aus. Auch OX zählte zu den Anwesenden und stand unauffällig im Saal, auf Hochglanz poliert. Es freute Peter, den fleißigen und hilfreichen Lehrer-Kompi zu sehen – hier im Flüsterpalast war OX fast so etwas wie ein Freund für ihn.
Blumensträuße schmückten den langen Tisch. Feine Servietten waren ausgelegt und silbernes Besteck funkelte im Licht der Kronleuchter. Estarra und er würden sich ansehen, vielleicht lächeln, den Blick wieder abwenden… Wenn sie doch nur für zehn Minuten allein sein konnten!
Die Bediensteten und Höflinge sorgten immer dafür, dass der König ein wenig zu spät kam, sodass alle auf ihn warten mussten. Doch diesmal bemerkte er am Kopfende des Tisches einen leeren Platz neben seinem eigenen Stuhl – Estarra fehlte. Fragend sah er einen der Herolde an, dann OX.
Mit einem falschen Lächeln trat Basil Wenzeslas vor und flüsterte: »Wir können Estarra nicht finden.« Zwar zeigte seine Miene weiterhin Zuversicht, aber in der Stimme erklang leise Kritik, als machte er aus irgendeinem Grund den König für Estarras Verspätung verantwortlich.
Peter nickte dem Vorsitzenden knapp zu und ging zu seinem Platz am oberen Ende des Tisches. »Mein Gast ist aufgehalten worden, aber inzwischen sind wir ja alle an unvorhergesehene Verzögerungen gewöhnt.« Niemand sollte auf den Gedanken kommen, dass irgendetwas Ungewöhnliches geschah. Basil legte großen Wert darauf, an dem Eindruck festzuhalten, dass alles unter Kontrolle war. »Bitte nehmen Sie Platz. Bestimmt haben wir genug Vorspeisen, um die Bewohner eines kleinen Kolonialplaneten zu ernähren.«
Pflichtbewusstes Lachen ertönte am Tisch. Peter wusste nicht, ob er sich insgeheim über Estarras Fehlen freuen oder aber besorgt sein sollte. Er hoffte, dass sie sich mit irgendwelchen erfreulichen Dingen beschäftigte. Wo auch immer sie war: Er hätte ihr lieber Gesellschaft geleistet, anstatt an diesem Ort zu sein.
»Ich schlage vor, wir beginnen mit dem ersten Gang. Die Küchenchefs wollen uns bestimmt bis nach Mitternacht hier sitzen lassen, damit wir alle von ihren kulinarischen Kunstwerken kosten.«
Es war gerade Salat aufgetragen worden, als zwei Wächter eine verlegene Estarra in den Saal geleiteten. Peter stand sofort auf, und alle anderen am Tisch folgten seinem Beispiel. Estarra trug ein elegantes, exotisches Gewand mit theronischem Flair, aber sie erweckte den Eindruck, sich in aller Hast angezogen zu haben.
»Ich habe den Palast erforscht und gar nicht gemerkt, wie spät es dabei geworden ist.« Estarras sonnengebräuntes Gesicht wirkte kindlich und erschrocken. »Ich wollte mich nicht verspäten, aber der Flüsterpalast ist so groß…«
Basil nahm den Arm der jungen Frau. »Ich führe Sie zu Ihrem Platz, meine Liebe.« Er zog die Augenbrauen zusammen und richtete einige leise, tadelnde Worte an Estarra.
Sie setzte sich betroffen und OX trat näher. Peter beugte sich
Weitere Kostenlose Bücher