Der Sternenwald
Worte und Namen klangen seltsam: Faeros, Wentals, Verdani.
Vor zehn Jahrtausenden hatten mächtige Wesen im Kosmos gegeneinander gekämpft. Während jenes Krieges waren die Klikiss ausgelöscht worden – gewissermaßen ein Kollateralschaden – und fast hätten jene Entitäten auch das Ildiranische Reich vernichtet. Inzwischen lagen die Ereignisse so lange zurück, dass sich die Ildiraner nicht mehr daran erinnerten.
Absurd. Wie war es möglich gewesen, ein solches Geheimnis so lange zu hüten? Und wer hatte nach all der Zeit diese Aufzeichnungen gefunden?
Von einem Augenblick zum anderen fiel dem Erstdesignierten die Antwort ein. Vermutlich hatte sein Vater dafür gesorgt, dass er die Dokumente sah. Natürlich. Nur ein Weiser Imperator konnte eine solche Geheimhaltung wahren und historische Wahrheiten umgestalten. Nur mithilfe des Thism und einem Generationengedächtnis konnte ein Weiser Imperator einen langfristigen Plan durchführen, der Jahrtausende überspannte und das Wissen um den ersten Hydroger-Krieg eliminierte. Aber zu welchem Zweck?
Jora’hs Vater hielt die Konfrontation mit diesen Dokumenten vermutlich für einen wesentlichen Bestandteil des Lern- und Reifeprozesses, dem sich der Erstdesignierte unterziehen musste. Es ging darum, ihm seine Naivität zu nehmen, ihn auf die harte Realität vorzubereiten, die ihn als Oberhaupt des ildiranischen Volkes erwartete. Wie entsetzlich! Täuschungen in einem so großen Maßstab hätte Jora’h nicht für möglich gehalten.
Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, und Zorn brodelte in ihm. Er konnte einfach nicht akzeptieren, dass solche Geheimnisse existierten – und dass sie selbst vor ihm verborgen gehalten wurden, dem Erstdesignierten, der bald der neue Weise Imperator sein würde.
Wenn sein Vater dazu imstande war… Gab es noch andere Dinge, über die Jora’h nicht Bescheid wusste?
Er las die Geschichten erneut und wusste, dass in den vergangenen zehntausend Jahren kein Erinnerer, nicht einmal Vao’sh, diese Worte gesprochen hatte. Die Hydroger hatten damals schwere Verluste erlitten, den Krieg aber schließlich gewonnen. Die anderen unglaublichen Wesen waren besiegt, vertrieben… Vielleicht gab es sie gar nicht mehr.
Während Jora’h versuchte, mit dem Schock fertig zu werden, kehrten seine Gedanken zu friedlicheren Zeiten zurück, zur sanften Nira. Wenn die schöne grüne Priesterin doch nur bei ihm gewesen wäre, jetzt, in diesem Augenblick…
Er erinnerte sich an ihre erstaunlichen und mysteriösen Beschreibungen des Weltwaldes, eines gewaltigen Bewusstseins, das lange Zeit auf Theroc geschlummert hatte. In Jora’hs Augen blitzte es, als ihm eine verblüffende Möglichkeit in den Sinn kam. Waren die Weltbäume vielleicht die überlebende Manifestation der mächtigen, aber doch besiegten »irdischen Intelligenz«? Die Verdam…
Plötzlich sah er den Hydroger-Krieg aus einer ganz anderen Perspektive. Und voller neuer Möglichkeiten.
76 RLINDA KETT
Typisch.
Rlinda Kett stand in den leeren Ruinen von Rheindic Co. Wenn ein Mann sich mit einem Gerät nicht auskannte, begann er damit, Knöpfe zu drücken und zu behaupten, über alles Bescheid zu wissen. Dieses Verhalten hatte sie immer wieder bei ihren Ehemännern beobachtet.
Und es war auch typisch, dass ein Mann einfach verschwand, wenn auch nicht unbedingt auf so melodramatische Art. Rlinda hatte das Summen der Klikiss-Maschinen und das Brummen des Steinfensters gehört. Sie erinnerte sich an das Bild der fremden Landschaft, über der sich ein sonderbarer lavendelblauer Himmel wölbte…
Davlin Lotze hatte dieses Bild berührt – und war durch das trapezförmige Steinfenster verschwunden. Rlinda entsann sich an ihre Reaktion: Sie hatte seinen Namen gerufen und war zur Wand mit dem Trapezoid gelaufen, ohne es zu berühren – wenn Davlin doch nur so vorsichtig gewesen wäre wie sie! Sie hatte ihn gesehen, auf einer fernen Welt, bevor sich das Bild auflöste.
Davlin Lotze war fort und Stille herrschte auf Rheindic Co.
Rlinda verschränkte die Arme und seufzte schwer. »Na schön, und was jetzt?«
Sie wartete vier Tage. Während der ersten Nacht schlief sie in der Geisterstadt und hoffte, dass ein neuerliches Summen der Klikiss-Aggregate auf Davlins Rückkehr hinwies. Aber nichts dergleichen geschah. Wartete er vielleicht irgendwo darauf, dass sie irgendwelche Symbole berührte und das Steinfenster reaktivierte? Das kam für sie nicht infrage – sie wollte nicht den
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