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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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das. Keine Spur von dem muffigen alten Kolonialismus. Was erzählt man sich auf dem Markt, Tom? Ihr Burschen hört ja das Gras wachsen. Habe mit Bedauern von der Sache mit Ihrem Bein gehört. Alden erzählte mir davon …«
    »Wo ist Pyle?«
    »Oh, Alden ist heute morgen nicht im Büro. Nehme an, er ist zu Hause. Er arbeitet eine Menge zu Hause.«
    »Ich weiß, was er zu Hause tut.«
    »Der Mann ist tüchtig. Eh, was sagten Sie eben?«
    »Nun, ich kenne jedenfalls eines von den Dingen, die er zu Hause tut.«
    »Ich verstehe Sie nicht, Tom. Der begriffsstutzige Joe – das bin ich. War ich schon immer. Werde ich immer sein.«
    »Er schläft mit meiner Freundin – der Schwester Ihrer Schreibkraft.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Fragen Sie sie doch. Sie hat die Sache eingefädelt. Pyle hat mir mein Mädchen weggenommen.«
    »Schauen Sie, Fowler, ich dachte, Sie wären dienstlich hergekommen. Wir können hier im Büro keine Szene gebrauchen, wissen Sie.«
    »Ich bin hergekommen, um mit Pyle zu reden; aber wahrscheinlich versteckt er sich vor mir.«
    »Also Sie sind wohl der allerletzte, der sich eine solche Bemerkung erlauben darf – nach allem, was Alden für Sie getan hat.«
    »Ja, ja, natürlich. Er hat mir das Leben gerettet, nicht wahr? Aber ich habe ihn nie darum gebeten.«
    »Unter großer Gefahr für sein eigenes Leben. Der Mann hat Nerven!«
    »Seine Nerven sind mir verdammt schnuppe. Andere Teile seiner Anatomie stehen jetzt wohl eher zur Debatte.«
    »Also, Fowler, solche Anspielungen können wir nicht dulden, noch dazu, wenn eine Dame im Zimmer ist.«
    »Die Dame und ich kennen einander sehr gut. Bei mir ist es ihr nicht gelungen, sich den Kuppelpelz zu verdienen; dafür tut sie das jetzt bei Pyle. – Schon gut! Ich weiß, daß ich mich schlecht benehme, aber ich gedenke mich weiterhin schlecht zu benehmen. Das ist eine Situation, in der sich Leute schlecht benehmen.«
    »Wir haben eine Menge Arbeit, einen Bericht über die Gummiproduktion …«
    »Keine Angst! Ich gehe schon. Aber falls Pyle anruft, sagen Sie ihm, daß ich da war. Vielleicht hält er es für angebracht, meinen Besuch zu erwidern.« Zu Phuongs Schwester sagte ich: »Hoffentlich haben Sie die Vermögensübertragung durch den öffentlichen Notar, den amerikanischen Konsul und durch die ›Christian-Science-Kirche‹ beglaubigen lassen.«
    Ich trat in den Gang hinaus. Gegenüber erblickte ich eine Tür mit der Aufschrift »Männer«. Ich ging hinein, verriegelte die Tür hinter mir, und, den Kopf gegen die kühle Wand gelehnt, weinte ich. Ich hatte bis dahin nicht geweint. Selbst ihre Klosetts waren mit einer Klimaanlage versehen, und augenblicklich trocknete die wohltemperierte und wohlgemischte Luft meine Tränen, wie sie den Speichel im Mund und den Samen im Leib vertrocknen läßt.

4
     
    Ich überließ Dominguez die Geschäfte und fuhr in den Norden. In Haiphong hatte ich Freunde im Luftgeschwader Gascogne, und ich verbrachte Stunden in der Bar des Flughafens oder beim Kugelspiel auf dem Kiesweg vor dem Kommandogebäude. Offiziell war ich an der Front: Ich konnte es an Einsatzbereitschaft mit Granger aufnehmen, für meine Zeitung aber war das Unternehmen genauso wertlos wie mein Ausflug nach Phat Diem. Doch wenn man über den Krieg berichtet, erfordert es die Selbstachtung, daß man gelegentlich die Gefahr der anderen teilt.
    Freilich war es nicht leicht, sie auch nur für die kürzeste Zeitspanne zu teilen, weil aus Hanoi die Weisung gekommen war, daß ich nur horizontale Angriffsflüge mitmachen durfte – Flüge, die in diesem Krieg so harmlos waren wie eine Autobusreise, weil wir über der Reichweite der schweren Maschinengewehre flogen; nichts außer einem Fehler des Piloten oder einem Motordefekt konnte uns gefährden. Wir starteten fahrplanmäßig und kehrten fahrplanmäßig zurück: Die Bombenlasten segelten schräg in die Tiefe hinab, und eine Rauchsäule stieg von der Straßenkreuzung oder der Brücke, die wir anzugreifen hatten, in Spiralen hoch, dann flogen wir zur Stunde des Aperitifs zurück und rollten die eisernen Kugeln über den Kies.
    Als ich eines Vormittags im Offizierskasino der Stadt mit einem jungen Offizier, der den leidenschaftlichen Wunsch hegte, die Vergnügungsstätten auf dem Pier von Southend aufzusuchen, gerade bei Brandy und Soda saß, kam der Befehl zu einem Einsatz. »Wollen Sie mitkommen?« Ich sagte ja. Selbst ein Horizontalangriff würde geeignet sein, die Zeit und die Gedanken

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