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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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Dinh den uralten Film »Raubüberfall auf den Expreßzug« über die Leinwand dahinruckeln sah und der doch Unterhaltung geboten hatte), war auch diese Presse noch verwendbar.
    Ich untersuchte sie näher und entdeckte Spuren eines weißen Pulvers. Diolacton, dachte ich, hat etwas mit Milch gemeinsam. Nirgends war ein Kanister oder eine Preßform zu sehen. Ich kehrte durch das Büro in die Garage zurück. Am liebsten hätte ich dem alten Auto freundlich auf den Kotflügel geklopft; es würde wohl noch geraume Weile warten müssen, aber eines Tages konnte es auch das Ende … Zu dieser Stunde waren Mr. Muoi und seine Mitarbeiter wahrscheinlich schon in den Reisfeldern und unterwegs zum Heiligen Berg, wo General Thé sein Hauptquartier hatte. Als ich nun schließlich die Stimme erhob und laut »Monsieur Muoi!« rief, konnte ich mir vorstellen, ich sei weit entfernt von der Garage und dem Boulevard und den Friseuren und wieder draußen in den Reisfeldern, wo ich neben der Straße nach Tanyin Zuflucht gesucht hatte. »Monsieur Muoi!« Ich konnte einen Mann sehen zwischen den Reishalmen, der den Kopf wandte.
    Ich ging nach Hause, und auf dem Treppenabsatz stimmten die alten Frauen ihr Gezwitscher an, wie in einer Hecke; ich konnte es genausowenig verstehen wie das Geschwätz der Vögel … Phuong war nicht daheim – nur ein Zettel lag da, der mir mitteilte, daß sie bei ihrer Schwester war. Ich legte mich aufs Bett – ich ermüdete noch immer rasch – und schlief ein. Als ich erwachte, war es auf dem Leuchtzifferblatt meines Weckers ein Uhr fünfundzwanzig, und ich wandte den Kopf in der Erwartung, Phuong schlafend an meiner Seite zu finden. Aber ihr Kissen wies keine Einbuchtung auf. Sie mußte die Bettlaken an jenem Tag gewechselt haben – sie hatten noch die Kälte an sich, mit der sie aus der Wäscherei gekommen waren. Ich stand auf und öffnete die Lade, wo sie ihre Schals aufbewahrte: Sie waren verschwunden. Ich trat an das Bücherregal – auch der Bildband über das Leben der königlichen Familie war nicht mehr da. Sie hatte ihre Mitgift mit sich genommen.
    Im Augenblick des Schocks verspürt man wenig Schmerz, der Schmerz setzte erst gegen drei Uhr morgens ein, als ich das Leben zu planen begann, das ich nun irgendwie würde hinschleppen müssen, und Erinnerungen in mir wachzurufen anfing, um sie dann auslöschen zu können. Glückliche Erinnerungen sind die schlimmsten, und so versuchte ich es mit den unglücklichen. Ich besaß Übung, ich hatte das alles schon einmal durchgemacht. Ich wußte, daß ich imstande war, das Nötige zu tun, aber ich war jetzt so viel älter – ich fühlte; daß mir wenig Kraft geblieben war, von neuem aufzubauen.

3
     
    Ich ging zur amerikanischen Gesandtschaft, um mit Pyle zu sprechen. Man mußte am Eingang ein Formular ausfüllen und es einem Militärpolizisten übergeben. Der Mann sagte: »Sie haben den Zweck Ihres Besuchs nicht angeführt.«
    »Er wird ihn schon wissen«, erwiderte ich.
    »Sie haben also eine Verabredung mit ihm?«
    »So können Sie es auch nennen, wenn Sie wollen.«
    »Es kommt Ihnen wahrscheinlich blödsinnig vor, aber wir müssen sehr vorsichtig sein. Hier tauchen recht sonderbare Typen auf.«
    »Davon habe ich gehört.« Er schob den Kaugummi von einer Backe in die andere und stieg in den Fahrstuhl. Ich wartete. Ich hatte keine Ahnung, was ich zu Pyle sagen sollte. Eine Szene wie diese hatte ich nie zuvor gespielt. Der Polizist kam zurück. Widerwillig sagte er: »Sie können hinaufgehen. Zimmer 12 A. Erster Stock.«
    Als ich den Raum betrat, sah ich, daß Pyle nicht da war. Hinter dem Schreibtisch saß Joe, der Handelsattaché: Sein Familienname war mir noch immer entfallen. Phuongs Schwester beobachtete mich von einem Schreibmaschinentischchen aus. War es Triumph, was ich in ihren braunen, habgierigen Augen las?
    »Nur herein, nur herein, Tom«, rief Joe mit aufdringlicher Lautstärke. »Freut mich, Sie zu sehen. Was macht das Bein? Wir bekommen nicht oft Besuch von Ihnen in unserem kleinen Laden hier. Holen Sie sich einen Stuhl heran und erzählen Sie mir, was Sie von der neuen Offensive halten. Gestern abend traf ich Granger im ›Continental‹. Er fliegt wieder nach dem Norden. Der Kerl geht scharf ran. Wo es Neuigkeiten gibt, ist auch Granger. Nehmen Sie sich eine Zigarette. Greifen Sie zu. Miss Hei kennen Sie, ja? Kann mir all diese Namen nicht merken – zuviel für einen alten Knaben wie mich. Ich rufe sie immer ›He, Sie!‹ – ihr gefällt

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