Der stille Amerikaner
übersät mit Eisenabfällen und alten Kisten – die Vietnamesen werfen ungern etwas weg, ebenso wie ein chinesischer Koch eine Ente in sieben Gänge aufteilt und dabei nicht auf eine Zehe des Tiers verzichten würde. Ich fragte mich, warum man in so verschwenderischer Art die leeren Kanister und die beschädigte Preßform weggegeben hatte – vielleicht war es Diebstahl gewesen von einem Angestellten, der sich ein paar Piaster verdienen wollte, oder vielleicht hatte der findige Mr. Heng jemand dazu bestochen.
Niemand schien in der Nähe zu sein, also trat ich ein. Ich überlegte, daß sich die Inhaber vielleicht eine Zeitlang fernhielten, für den Fall, daß die Polizei erschien. Es war möglich, daß Mr. Heng Kontakte zur Sureté hatte; aber selbst dann war es unwahrscheinlich, daß die Polizei einschreiten würde. Von ihrem Standpunkt aus war es viel günstiger, die Bevölkerung bei dem Glauben zu belassen, daß die Bomben kommunistischen Ursprungs waren.
Abgesehen von dem Auto und dem Gerümpel, das über den Betonboden verstreut war, gab es nichts zu sehen. Ich konnte mir schwer vorstellen, wie man hier bei Mr. Muoi die Bomben hergestellt haben konnte. Ich hatte keine Ahnung, wie man das weiße Pulver in den Kanistern, die ich gesehen hatte, in einen Sprengstoff umwandelte, das Verfahren war aber gewiß viel zu kompliziert, als daß es sich hier hätte durchführen lassen, wo selbst die beiden Benzinpumpen draußen auf der Straße einen verwahrlosten Eindruck machten. Ich stand in der Einfahrt und blickte auf die Straße hinaus. Unter den Bäumen in der Mitte des Boulevards waren die Friseure an der Arbeit: Eine Spiegelscherbe, die an einen Baumstamm genagelt war, fing blinkend das Sonnenlicht ein. Ein Mädchen unter einem breiten, flachen Hut trabte vorüber, das auf einer langen Stange zwei Körbe trug. Der Wahrsager, der an der Mauer von Simon Frères hockte, hatte Kundschaft bekommen – einen alten Mann mit einem schütteren, strähnigen Bart, ähnlich jenem Ho-Chi-Minhs; gleichmütig sah er zu, wie die uralten Karten gemischt und aufgelegt wurden. Was für eine Zukunft hatte er noch zu erwarten, die einen Piaster wert gewesen wäre? Auf dem Boulevard de la Somme lebte man öffentlich: Jedermann wußte alles, was es über Mr. Muoi zu wissen gab, aber die Polizei besaß keinen Schlüssel, der zum Vertrauen dieser Leute geführt hätte. Dies war die Ebene des Lebens, auf der alles bekannt war, doch man konnte diese Ebene nicht so einfach betreten, wie man die Straße betrat. Ich dachte an die alten Frauen, wie sie auf unserem Treppenabsatz schwatzten, auch sie hörten alles, doch ich wußte nicht, was sie wußten.
Ich kehrte in die Garage zurück und betrat einen kleinen, dahinterliegenden Büroraum. Es gab dort den üblichen chinesischen Geschäftskalender, einen übersäten Schreibtisch – Preislisten, eine Flasche Klebegummi, eine Addiermaschine, eine Teekanne und drei Tassen, eine Menge ungespitzter Bleistifte, und aus irgendeinem Grund eine unbeschriebene Ansichtskarte des Eiffelturms. York Harding mochte in anschaulichen Abstraktionen über die Dritte Kraft schreiben, doch letzten Endes lief sie auf diese Dinge hinaus – das war sie! In der Rückwand des Büros befand sich eine Tür; sie war versperrt, aber der Schlüssel lag unter den Bleistiften auf dem Schreibtisch. Ich schloß die Tür auf und ging weiter.
Ich kam in einen kleinen Schuppen von ungefähr denselben Ausmaßen wie die Garage. Er enthielt eine einzige Maschine, die auf den ersten Blick wie ein Käfig aus Stäben und Drähten aussah, mit zahllosen Aufsitzstangen für irgendwelche große, flügellose Vögel – sie sah so aus, als sei sie mit alten Lappen zusammengebunden worden; doch diese Lappen hatte man vermutlich zum Reinigen verwendet, bevor Mr. Muoi und seine Helfer weggerufen worden waren. Ich entdeckte den Namen der Erzeugerfirma – eine Fabrik in Lyon – und eine Patentnummer. Ein Patent wofür? Ich schaltete den Strom ein, und die alte Maschine erwachte zum Leben: Die Stäbe dienten einem Zweck – jetzt glich die Vorrichtung einem alten Mann, der seinen letzten Funken Lebenskraft sammelt und dann mit der Faust zuschlägt, immer wieder zuschlägt … Dieses Ding war noch immer eine Presse, obwohl es ein Zeitgenosse der ersten Kinos gewesen sein mußte. Doch in diesem Land, wo nichts jemals fortgeworfen wurde und wo jedes Ding das Ende seiner Laufbahn erleben konnte (es fiel mir ein, wie ich in einer Hintergasse von Nam
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