Der stille Amerikaner
abstellte.
»Ist er noch in dich verliebt, Phuong?«
Mit einer Annamitin ins Bett zu gehen, das ist genau so, wie wenn man einen kleinen Vogel zu sich nimmt: Sie zwitschern und singen auf dem Kopfkissen. Es hatte eine Zeit gegeben, da glaubte ich, daß keine ihrer Stimmen so schön sang wie die Phuongs. Ich streckte die Hand aus und berührte ihren Arm – auch ihre Knochen waren so zart und zerbrechlich wie die eines Vogels.
»Ist er es, Phuong?«
Sie lachte, und ich hörte, wie sie ein Zündholz anstreifte. »Verliebt?« – vielleicht war das einer der Ausdrücke, die sie nicht verstand. »Darf ich dir eine Pfeife richten?« fragte sie.
Als ich die Augen aufschlug, hatte sie die Lampe angezündet, und das Tablett war bereits vorbereitet. Das Licht gab ihrer Haut die Tönung dunklen Bernsteins, als sie sich über die Flamme beugte und vor Konzentration die Stirn runzelte, während sie das kleine Stückchen Opiumpaste erhitzte und ihre Nadel rasch hin und her drehte.
»Raucht Pyle immer noch nicht?« erkundigte ich mich.
»Nein.«
»Du solltest ihn aber dazu bringen, sonst kommt er nicht wieder.« Es gab bei ihnen diesen Aberglauben, daß ein Liebhaber, der Opium rauchte, unter allen Umständen zurückkehrte, sogar aus Frankreich. Das sexuelle Leistungsvermögen eines Mannes mochte durch das Opiumrauchen beeinträchtigt werden, aber sie zogen einen treuen Geliebten dem potenten vor. Jetzt knetete sie das winzige Kügelchen heißer Paste auf dem krummen Rand des Pfeifenkopfs, und ich konnte den Duft des Opiums riechen. Kein Geruch läßt sich mit dem seinen vergleichen. Die Zeiger des Weckers neben meinem Bett wiesen auf zwanzig Minuten nach zwölf, aber die Spannung war bereits von mir gewichen. Pyle war in den Hintergrund getreten. Das Lampenlicht fiel hell auf Phuongs Gesicht, während sie die lange Pfeife vorbereitete und sich mit der ernsten Aufmerksamkeit, die einem Kind hatte gelten können, darüber beugte. Ich liebte meine Pfeife: ein über zwei Fuß langes gerades Bambusrohr, an beiden Enden in Elfenbein gefaßt. Im unteren Drittel befand sich der Kopf, vergleichbar einer umgestülpten Windenblüte; der nach außen gewölbte Rand war durch das häufige Kneten des Opiums geglättet und nachgedunkelt. Jetzt stieß Phuong mit einer raschen Bewegung des Handgelenks die Nadel in die winzige Öffnung, gab das Opium frei, drehte den Pfeifenkopf über der Flamme um und hielt mir die Pfeife mit ruhiger Hand hin. Das Opiumkügelchen wallte sanft und leise, während ich den Rauch in die Lungen sog.
Ein geübter Raucher kann den Inhalt einer ganzen Pfeife auf einmal inhalieren, aber ich benötigte dazu immer mehrere Züge. Dann legte ich mich zurück, so daß mein Nacken auf dem Lederkissen ruhte, indessen Phuong mir die zweite Pfeife richtete.
»Die Sache ist ja sonnenklar«, sagte ich. »Pyle weiß, daß ich vor dem Schlafengehen gern ein paar Pfeifen rauche, und er will mich dabei nicht stören. Sicher wird er am Morgen vorbeikommen.«
Wieder fuhr die Nadel hinein, und ich rauchte meine zweite Pfeife. Als ich sie weglegte, sagte ich: »Kein Grund zur Beunruhigung, wirklich kein Grund zur Beunruhigung.« Ich nahm einen Schluck Tee und legte meine Hand in Phuongs Achselhöhle. »Als du mich verlassen hast, war es ein Glück für mich, daß ich dazu meine Zuflucht nehmen konnte«, sagte ich. »In der Rue d’Ormay gibt es ein gutes Haus. Was für ein Aufhebens machen doch wir Europäer von jeder Nichtigkeit! Du solltest nicht mit einem Mann zusammenleben, der nicht raucht, Phuong.«
»Er wird mich aber heiraten«, entgegnete sie. »Sehr bald schon.«
»Das ist natürlich etwas anderes.«
»Soll ich dir noch eine Pfeife richten?«
»Ja, bitte.«
Ich überlegte, ob sie bereit sein würde, heute nacht bei mir zu schlafen, falls Pyle überhaupt nicht kommen sollte. Ich wußte aber auch, daß ich kein Verlangen nach ihr empfinden würde, wenn ich vier Pfeifen geraucht hatte. Natürlich wäre es angenehm, ihren Schenkel an meiner Seite zu spüren – sie schlief immer auf dem Rücken; und wenn ich morgens erwachte, konnte ich den Tag mit einer Pfeife beginnen anstatt bloß mit meiner eigenen Gesellschaft. »Jetzt kommt Pyle nicht mehr«, sagte ich. »Bleib hier, Phuong.« Sie reichte mir die Pfeife und schüttelte den Kopf. Und als ich das Opium eingesogen hatte, machte es sehr wenig aus, ob sie blieb oder ging.
»Warum ist Pyle nicht hier?« fragte sie.
»Wie soll ich das wissen?«
»Ging er General Thé
Weitere Kostenlose Bücher