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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Greene
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Sorgfalt.
    Als er gegangen war, mußte ich noch eine Stunde auf Phuong und lebende Gesellschaft warten. Seltsam, wie sehr mich Vigots Besuch beunruhigt hatte. Es war, als ob mir ein Dichter seine Werke zu einer kritischen Beurteilung gebracht und ich sie durch eine Unvorsichtigkeit zerstört hätte. Ich war ein Mann ohne Berufung – Journalismus kann man nicht ernsthaft als Berufung ansehen, aber ich war imstande, bei jemand anderem die Berufung zu erkennen. Nun, da Vigot gegangen war, um seine unvollständige Akte abzuschließen, wünschte ich, ich hätte den Mut besessen, ihn zurückzurufen und zu sagen: »Sie haben recht. Ich sah Pyle tatsächlich in jener Nacht, als er starb.«

Zweites Kapitel
     
1
     
    Auf dem Weg zum Quai Mytho begegneten mir mehrere Ambulanzwagen, die von Cholon herüberkamen und zur Place Garnier fuhren. Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Gerücht verbreitete, konnte man beinahe nach dem Ausdruck der Gesichter auf der Straße errechnen; jemandem, der wie ich aus der Richtung des Platzes kam, wandten sie sich zunächst erwartungsvoll und nachdenklich zu. Als ich aber endlich Cholon erreichte, da hatte ich die Nachricht vom Bombenanschlag bereits überholt – das geschäftige Leben ging dort ganz normal und ohne Unterbrechung weiter. Niemand wußte etwas.
    Ich fand Mr. Chous Lagerhaus und stieg die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Seit meinem letzten Besuch dort hatte sich nichts verändert. Die Katze und der Hund sprangen vom Boden zur Pappschachtel und weiter zum Koffer, wie zwei Springer im Schachspiel, die einander nie zu fassen bekommen. Das Baby kroch auf dem Fußboden umher, und die beiden alten Herrn spielten immer noch Mah-Jongg. Nur die jungen Leute waren abwesend. Sowie ich in der Tür auftauchte, begann auch schon eine der älteren Frauen Tee einzugießen. Die alte Dame saß auf dem Bett und betrachtete ihre Füße.
    »Monsieur Heng?« fragte ich. Den Tee wehrte ich durch Kopfschütteln ab: Ich war nicht in der Stimmung, nochmals zahllose Tassen jenes armseligen bitteren Gebräus über mich ergehen zu lassen. »Il faut absolument que je voie Monsieur Heng.« Es schien unmöglich zu sein, ihnen die Dringlichkeit meiner Bitte nahezubringen, doch die Schroffheit, mit der ich den Tee zurückwies, verursachte vielleicht ein wenig Unruhe. Oder vielleicht hatte ich wie Pyle Blut an den Schuhen. Jedenfalls führte mich nach kurzem Zaudern eine der Frauen aus dem Zimmer und die Treppe hinab, durch das Menschengewühl zweier mit Fahnen behangener Gassen und ließ mich schließlich vor dem Eingang eines Ladens stehen, den man in Pyles Heimat vermutlich als »Bestattungssalon« bezeichnet hätte, voll mit steinernen Urnen, in denen die wiederauferstandenen Gebeine verstorbener Chinesen endlich ihre letzte Ruhestätte finden. »Monsieur Heng«, sagte ich zu einem greisen Chinesen im Eingang. »Monsieur Heng.« Dieser Ort schien mir ein passender Ruhepunkt an einem Tag, der mit der erotischen Sammlung des Plantagenbesitzers begonnen und mit den Mordopfern der Place Garnier seine Fortsetzung gefunden hatte. Jemand rief aus einem Hinterzimmer heraus, und der alte Chinese trat zur Seite und ließ mich ein.
    Mr. Heng kam persönlich hervor, begrüßte mich herzlich und führte mich in ein kleines Zimmer, an dessen Wänden die schwarzen, geschnitzten und unbequemen Stühle standen, die man in jedem chinesischen Warteraum findet, kaum benützt und wenig einladend. Es schien mir aber, daß an diesem Tag die Stühle schon gebraucht worden waren, denn auf dem Tisch standen fünf winzige Teetassen, und zwei von ihnen waren noch nicht leer.
    »Ich habe eine Zusammenkunft gestört«, sagte ich.
    »Eine geschäftliche Angelegenheit«, sagte Mr. Heng ausweichend. »Ohne Belang. Ich freue mich immer, wenn ich Sie sehe, Mr. Fowler.«
    »Ich komme eben von der Place Garnier«, sagte ich.
    »Ich dachte mir schon, daß es sich darum handelt.«
    »Sie haben davon gehört?«
    »Man hat mich angerufen, man hielt es für das Beste, daß ich mich von Mr. Chous Haus eine Zeitlang fernhalte. Die Polizei wird heute sehr rührig sein.«
    »Sie haben doch damit nichts zu tun.«
    »Es ist Aufgabe der Polizei, einen Schuldigen zu finden.«
    »Es war wiederum Pyle«, sagte ich.
    »Ja.«
    »Eine furchtbare Tat.«
    »General Thé ist keine sehr beherrschte Persönlichkeit.«
    »Und Plastikbomben sind kein Spielzeug für kleine Jungen aus Boston. Wer ist Pyles Vorgesetzter, Heng?«
    »Ich habe den Eindruck, daß Pyle

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