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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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Wachstum innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Geburt das Erwachsenenalter erreicht hatten. Sri hatte sie aus menschlichen Embryos geschaffen und dabei Techniken angewandt, die sie in ihren Experimenten mit den Schimpansen entwickelt hatte. Sie
hatte die Hyperintelligenten mit einer abgeschwächten Form von Autismus ausgestattet, so dass sie mit Hilfe von Verhaltenssignalen darauf trainiert werden konnten, sich neue Techniken und Wissensgebiete anzueignen und sich intensiv mit Fragestellungen zu beschäftigen, die ihre Pfleger ihnen vorlegten. Sie hatten ihre eigene Sprache entwickelt, eine Art Kurzschrift aus Ausdrücken und Fingerzeichen, die es ihnen gestattete, komplexe Ideen erstaunlich rasch zum Ausdruck zu bringen. Wenn sie sich alle mit derselben Fragestellung befassten, arbeiteten und bewegten sie sich auf harmonische Weise im Gleichtakt, als würden sie einen eleganten und endlosen Tanz ohne feste Regeln aufführen.
    Jetzt waren neun von Sris brillanten Kindern tot – während verschiedener Fluchtversuche ums Leben gekommen. Und die Überlebenden waren in einer der medizinischen Zellen eingesperrt, unter Betäubungsmittel gesetzt, und harrten ihres Schicksals. Sri verspürte eine Mischung aus Stolz und Trauer. Stolz, weil sie in so kurzer Zeit so viel erreicht hatten. Selbst die grimmige, unnachgiebige Entschlossenheit, mit der sie ihre Fluchtversuche geplant hatten, verlangte nach Bewunderung. Und Trauer, weil sie an dem unvermeidlichen Ende angelangt waren, das Sri bereits vorhergesagt hatte, als sie die Pläne zu ihrer Erschaffung entwickelt hatte.
    Sie drückte die Handfläche auf einen Bildschirm, der ihre DNA und Stoffwechselsignatur analysierte. Sie lud den notwendigen Schlüssel in das System hoch und sagte Arvam dann, dass sie die Hyperintelligenten gern ein letztes Mal sehen wollte.
    »Ich hätte Sie nicht für sentimental gehalten«, sagte er. »Aber gut, von mir aus. Zwei meiner Leute werden Sie hinbringen.«
    Sri konnte die medizinische Zelle nicht betreten, weil die Luft mit einem Betäubungsmittel versetzt war. Sie konnte lediglich an der Tür stehen und durch den Spion blicken.
Die fünf Hyperintelligenten lagen auf Liegen; auf Memoflächen über ihrem Kopf wurden ihre Körperwerte angezeigt. Sie waren androgyn und geschlechtslos, nackt, blass, haarlos und maßen etwa einen Meter. Sie hatten die Größe von Kindern, sonst jedoch mit ihrer breiten Brust, dem großen Kopf und den schmalen, zarten Gliedern nichts Kindliches an sich. Ihre Gesichter mit der asymmetrisch geformten Stirn waren ruhig und still. Sri hatte herausgefunden, dass sich die stabilsten Persönlichkeiten schaffen ließen, indem man vor allem das Wachstum der linken Hirnhälfte anregte. Obwohl sie sich mit ihren eng beieinanderstehenden Augen, den platten Nasen und den kleinen Mündern mit den nach unten gezogenen Mundwinkeln alle sehr ähnlich sahen, erkannte sie jeden Einzelnen und verabschiedete sich nacheinander von ihnen. Schließlich aktivierte sie den Schlüssel und sperrte damit eine Abzugsöffnung auf, die zum Vakuum der Mondoberfläche hinausführte.
    Ein fahler Dunst bildete sich in der Luft, der rasch zerstreut und fortgerissen wurde. Die Schlafenden rissen ihre Münder weit auf, während sie nach Luft schnappten. Ihre Brust hob und senkte sich unregelmäßig und krampfartig und kam irgendwann ganz zum Stillstand. Ihre Zungen tauchten zwischen den blauen Lippen auf, schwollen immer weiter an und platzten schließlich. Blut spritzte durch den Raum. Auch aus ihren Nasenlöchern und den Augenwinkeln rann Blut, das im Vakuum brodelte, während es über ihre bleiche Haut lief. Die Memoflächen über ihren Köpfen zeigten nur noch flache Linien an.
    Die Hyperintelligenten waren tot. Dieser Teil von Sris Leben war vorbei. Sie wandte sich ab, Trauer und Selbstmitleid ließen ihr das Herz anschwellen.
    »Das haben Sie gut gemacht«, sagte Arvam. »Was mich daran erinnert, dass ich mich bei Ihnen auch noch für die
vielen Stunden amüsanten Materials bedanken wollte, die Sie mir von Ihrer kurzen Reise nach Kallisto haben zukommen lassen.«
    »Ich dachte schon, Sie hätten es vergessen«, sagte Sri.
    »Oh, ich vergesse nie, wenn mir jemand einen Gefallen getan hat. Jetzt möchte ich gern sehen, wie es Ihren anderen Kindern geht. Ich glaube, wir werden sie bald brauchen. Schließlich folgt auf das Ende eines Kapitels stets der Anfang eines neuen, nicht wahr?«

› 5
    Vater Aldos stürmte durch die Flügeltür der Turnhalle

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