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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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geworden zu sein. Alles um ihn herum hatte eine besondere Klarheit angenommen. Seine Brüder standen immer noch in Habachtstellung, doch ihre Blicke waren auf ihn gerichtet. Der General, der etwas abseits stand, klatschte langsam und laut. Er lächelte. Auf dem Podest hatte der schlanke Mann in Schwarz die Arme um Sri Hong-Owen gelegt. Vater Clarke stand vornübergebeugt da und würgte leise, während sich zu seinen Füßen eine Pfütze Erbrochenes befand. Vater Aldos’ Augen waren geschlossen, und er betete. Vater Ramez kam von dem Podest heruntergeschwebt, befahl Dave #8, einen Schritt zurückzutreten, und kniete neben Vater Solomon nieder. Er legte eine Handfläche auf die Stirn des Mannes und begann, die Sterbesakramente zu sprechen.
    »Das hast du gut gemacht«, sagte der General zu Dave #8. »Wenn ich doch nur tausend Soldaten wie dich hätte. Was sagen Sie, Professor Doktor? Ist das machbar?«
    Sri Hong-Owen blickte ihn mit kaltem Spott an. »Sie müssten eine größere Einrichtung bauen lassen. Und dann sieben Jahre warten.«
    »Hmm. Ich glaube, so viel Zeit bleibt uns nicht. Wir müssen uns also mit dem begnügen, was wir haben.« Der General schenkte Dave #8 erneut ein Lächeln und ließ den Blick dann über die anderen Jungen gleiten. »Wir werden in meinem Shuttle zur Erde zurückfliegen, Professor Doktor. Es ist zwar nicht so schnell wie das Schiff, mit dem Sie hierhergekommen sind, aber das ist in diesem Fall von Vorteil. Wir haben einiges zu bereden.«

› 6
    In ihrer ersten Nacht im Wohnblock der Frauenabteilung der Besserungsanstalt wurde Macy von drei Langzeitinsassinnen in die Ecke gedrängt und verprügelt. Sie wehrte sich und verlor bei dem Kampf einen Zahn und handelte sich ein blaues Auge ein. Nach dieser Initiation wurde sie jedoch weitgehend in Ruhe gelassen und gewöhnte sich rasch an den Tagesablauf. Acht Stunden war sie in ihrer Zelle eingesperrt, eine Stunde verbrachte sie in zwanglosem Beisammensein mit den anderen Insassen, und der Rest des Tages wurde von Arbeit und rehabilitierenden Maßnahmen eingenommen – interaktiven Tutorien mit einer besonders geschulten KI, Teilnahme an Gruppenübungen, mit deren Hilfe sie sich und ihre Fehler besser verstehen lernen sollte, und Einzelsitzungen, in denen sie den furchtbar langweiligen, egozentrischen Monologen einer alten Frau mit trübem Blick lauschte – Sasaki Tabata, die einen Dienst an der Gemeinschaft ohne die Möglichkeit des Straferlasses ableistete, weil sie ihren Geliebten ermordet und einen Teil seines Gesäßes gekocht und gegessen hatte.
    Danach war die Arbeit eine Erleichterung: Drei Stunden jeden Tag an der Mondoberfläche, in einen unförmigen Druckanzug gehüllt, der besonders gegen die Strahlung abgeschirmt war. Macy pflückte dicke Graphitknospen von einem Belag aus Vakuumorganismen, der sich unter Lampengestellen über eine staubige Eisfläche erstreckte. Zweifellos sollte diese Arbeit erniedrigend sein, aber Macy machte sie nichts aus. Es war das erste Mal seit ihrer Ankunft auf Ganymed, dass sie East of Eden verließ, und sie konnte sich
am Anblick des fremdartigen Panoramas nicht sattsehen. Felder voller Vakuumorganismen – in hohem Maße organisierte Kolonien von Nanomaschinen, die als Katalysator für komplexe Reaktionen bei äußerst niedrigen Temperaturen dienten – zogen sich über eine Ebene aus dunklem, staubbedecktem Eis hin, die von den Gruben kleiner Krater und den klobigen Klumpen von Ejekta übersät war. Ein gezackter Steilhang ragte im Norden am Horizont auf – der Rand eines Kraters von mehr als neunzig Kilometern Durchmesser. Jupiters aufgeblähte Scheibe hing hoch über ihr. War er anfangs nur als schmale Sichel zu sehen gewesen, hatte er sich bald in seiner ganzen Pracht gezeigt und dann langsam wieder abgenommen. Der ganze Zyklus hatte etwas mehr als sieben Tage gedauert. Der Jupiter stand stets an derselben Stelle am schwarzen Himmel, weil Ganymed wie der Erdmond durch die Gezeitenkräfte in eine gebundene Rotation gezwungen wurde und dem Planeten, den er umkreiste, stets dieselbe Seite zuwandte. Wenn auf dem Ganymed Nacht herrschte, war der Schatten des Mondes klein und scharf umrissen auf dem gelbbraunen Band mit den gekräuselten Rändern am Äquator des Jupiter zu sehen. Durchquerte Ganymed während der kurzen Verfinsterung zur Mittagszeit Jupiters Schatten, bildete der Gasriese ein schwarzes Loch am sternbedeckten Himmel, das schwach von Sonnenlicht umrissen wurde, das sich in seiner

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