Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
Newt ihr hinterher. »Ich möchte wetten, dass es in East of Eden ein Gesetz dagegen gibt.«
Auf der langen Busreise in die Stadt, eingeschlossen in einer fensterlosen Kabine, hatte Macy viel Zeit, über Newts Abschiedsworte nachzudenken. Eines wusste sie: Es tat ihr nicht leid, dass sie Jibril niedergeschlagen hatte. Und sie würde es wieder tun, wenn der Kosmoengel erneut versuchen würde, sie zu schikanieren. Außerdem würde jeder in der Siedlung wissen, wo sie gewesen war und warum. Das Einzige, was ihr blieb, war also, so zu tun, als sei nichts
geschehen. Als sie schließlich Lots Los erreicht hatte, ging sie deshalb direkt in den Speisesaal, ohne auf die unverhohlenen Blicke der Leute zu achten, an denen sie vorbeikam. In Jon Hos Café angekommen, setzte sie sich an die Theke und bestellte einen Espresso und ein Glas Kirschlikör.
»Sind Sie denn gar nicht erst in Ihre Wohnung gegangen?«, fragte Jon.
»Irgendwie vermisse ich Ihren Kaffee mehr.«
»Es wäre vielleicht ratsam, wenn Sie dort vorbeischauen. Und es tut mir leid, aber die sollten Sie wohl besser mitnehmen«, sagte Jon und stellte die halbvolle Flasche Kirschlikör, um die ein Klebeband mit ihrem Namen gewickelt war, auf die Theke.
»Was ist los?«
Jon mied ihren Blick. »Ich glaube wirklich, Sie sollten in Ihrer Wohnung vorbeischauen.«
Jemand wartete vor Macys Wohnungstür. Es war der Friedensoffizier des Dorfes, Junpei Smith. Auch ihm fiel es schwer, ihr in die Augen zu blicken, als er ihr sagte, dass es ihm sehr leidtäte, aber dass der Dorfausschuss während seines letzten Treffens über ihre Wohnprobezeit vor Ort gesprochen und gegen eine Verlängerung gestimmt hatte.
Es dauerte einen Moment, bis Macy begriff, dass sie aus ihrer Wohnung hinausgeworfen worden war. Junpei entschuldigte sich mit hochrotem Kopf und gestattete ihr, noch einmal ihre Wohnung zu betreten. Sie packte ein paar Andenken ein, bat Junpei, den Rest ihres Hab und Guts einzulagern, und verließ die Wohnung, wobei sie einen heißen Stich der Erniedrigung verspürte. In einem Café am Seeufer in der nächsten Ortschaft trank sie einen Becher grünen Tee und beschloss, Ivo Teagarden dieses Mal nicht um Hilfe zu bitten. Er hätte ihr wahrscheinlich nur wieder einen langen
Vortrag darüber gehalten, wie man die Dinge richtig anpackte und was sie tun sollte, um sich dem Leben in der Stadt anzupassen. Aber sie wollte sich nicht anpassen. Sie wollte ihr Leben zurückhaben. Ihre Unabhängigkeit. Sie rief das Verwaltungsbüro der Farmen an, weil sie wusste, dass es immer das eine oder andere freie Zimmer gab, das für Besucher bereitgehalten wurde. Bei dieser Gelegenheit erfuhr sie, dass sie auch ihren Arbeitsplatz verloren hatte. Es war dieselbe Geschichte: Eine Diskussion in ihrer Abwesenheit, die Abstimmung war zu ihren Ungunsten verlaufen. Sie würde sich öffentlich bei Jibril entschuldigen müssen, wenn sie ihre Anstellung zurückerhalten wollte.
Ihre Strafe war also doch noch nicht beendet – sie hatte sich über die Mauern der Besserungsanstalt hinweg wie ein Schmutzfleck in alle Bereiche ihres Lebens ausgeweitet.
Macy trank ihren grünen Tee aus, goss einen Schluck Kirschlikör in die weiße Porzellantasse und gestattete sich ein paar Minuten melodramatischen Selbstmitleids, während sie daran nippte. Dann rief sie Ivo Teagarden an und vereinbarte ein Treffen mit ihm. Nicht um ihn um Rat zu fragen, sondern um einen offiziellen Antrag einzureichen.
Er traf wenige Minuten später ein, und als er auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatte, sagte sie ihm, dass sie East of Eden verlassen wolle.
»Das kommt unerwartet.«
»Das sehe ich anders. Ich habe meine Wohnung und meinen Job verloren. Hier ist nichts mehr für mich geblieben.«
Ivo Teagarden schürzte die Lippen, während er darüber nachdachte. Er war ein Außenweltler der zweiten Generation und zweiundneunzig Jahre alt, aber er wirkte nur halb so alt – ein eitler und etwas pedantischer Mann mit einer dichten Mähne schwarzen Haars und einem schwarzen Kinnbärtchen,
der wie üblich eine einfache knielange Tunika trug und eine Kette mit handgefertigten Stein- und Holzperlen um den Hals.
»Ich hatte gehofft, dass sich während Ihrer Abwesenheit Ihre Einstellung verbessern würde«, sagte er. »Und dass Sie etwas über sich und die Art, hier zu leben, lernen würden.«
»War das also der Zweck des Ganzen? Mir eine Lektion zu erteilen?«
»Sie sollten sich selbst und Ihren Platz in unserer
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