Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
gegen den Reißverschluss ihrer Jeans, und ihre Arbeitsstiefel hatte sie auf dem Geländer der Laufbrücke abgelegt.
»Sie haben hier eine ziemlich gute Mannschaft, ich kann also verstehen, warum Sie gerne bei uns bleiben möchten. Aber Sie sind jung, und Sie haben einiges Talent und könnten noch mehr Arbeitserfahrung gebrauchen. Ich denke, Sie sollten sich das hier einmal anschauen«, sagte Roxy und nahm ihre Lesetafel aus ihrer Schultertasche.
Damals erfuhr Macy zum ersten Mal davon, dass sich der grüne Heilige Oscar Finnegan Ramos und die berüchtigte Genzauberin Avernus für den Bau eines Bioms in Rainbow Bridge auf Kallisto engagierten, dem zweitgrößten Mond des Jupiter, und dass die Familie Peixoto eine Mannschaft zusammenstellte, die das Ökosystem von Grund auf neu gestalten sollte.
»Warum ich?«, fragte Macy. »Hier geht es um Landschaftsgestaltung. Es ist ein komplexer Auftrag, und er findet an einem ungewöhnlichen Ort statt, mehr aber auch nicht.«
»Lesen Sie sich die technischen Einzelheiten durch«, sagte Roxy. »Der größte Teil des Parks wird aus einem Süßwassersee bestehen. Die brauchen dort Leute, die in der Lage sind, ihn zum Leben zu erwecken, und einer davon wird für die mikrobielle Ökologie zuständig sein. Es ist eine interessante Arbeit, und Sie würden viele neue spannende Aspekte kennenlernen. Der Ingenieur, der die Mannschaft leiten soll, Emmanuel Vargo, gehört zu den Besten seines Fachgebiets, und ich möchte wetten, dass Sie auch von den Außenweltlern das eine oder andere lernen könnten. Die entwickeln und unterhalten seit mehr als hundert Jahren in sich geschlossene Ökosysteme. Außerdem bietet sich Ihnen vielleicht die Möglichkeit, Avernus kennenzulernen oder sogar mit ihr zu arbeiten, und die Genzauberin ist so berühmt wie Darwin oder Einstein oder andere Wissenschaftler dieser Größenordnung.«
»Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie mir die Sache schmackhaft machen wollen«, sagte Macy. »Aber es ist furchtbar weit weg, und es gibt doch bestimmt Hunderte von Leuten, die für diese Arbeit besser qualifiziert sind als ich. Wenn nicht gar Tausende.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Sie sind eine der besten Spezialistinnen für Mikroben, die ich kenne. Sie haben eine offene Art, die manchmal zu Reibereien mit anderen Arbeitsgruppenleitern führt, aber Sie arbeiten hart, und Sie sind jung, klug und ehrgeizig. Eine solche Gelegenheit bietet sich einem nur einmal im Leben, Macy. Vielleicht verstehen Sie das jetzt noch nicht, aber irgendwann werden Sie es.«
»Langsam habe ich das Gefühl, dass mir gar keine andere Wahl bleibt, als mich freiwillig zu melden.«
»Das ist die offene Art, die ich meinte«, sagte Roxy. »Ich möchte genauso offen mit Ihnen sein. Ich hatte gehofft, dass
Sie gleich darauf anspringen würden. Nicht nur, weil es mir die Arbeit erleichtern würde, sondern auch, weil ich tatsächlich glaube, dass es eine großartige Gelegenheit für Sie wäre und Sie von all meinen Mitarbeitern die beste Wahl sind. Wenn Sie sich also nicht freiwillig melden, ja, dann werde ich Sie für das Projekt vorschlagen und Sie werden kein Mitspracherecht in der Angelegenheit haben. Wir sind hier zwar nicht bei der Armee oder der Luftverteidigungswaffe, aber auch bei uns gibt es eine Befehlskette. Und Sie befinden sich ziemlich am unteren Ende davon.«
Macy dachte einen Moment lang darüber nach und sah dem V aus Gänsen hinterher, die auf den dunklen Rand der Welt zuflogen und immer kleiner wurden. Schließlich sagte sie: »Kann ich Sie zumindest fragen, wer Sie darum gebeten hat, mich zu fragen?«
»Es war der Gouverneur dieser Region.«
»Louis Fontaine?«
»Genau der. Offenbar verfolgt er immer noch Ihre Karriere.«
»Der Gouverneur ist mir nichts mehr schuldig«, sagte Macy. »Und selbst wenn, dann wüsste ich nicht, ob ich ihm hierfür danken sollte.«
Vor vier Jahren war Macy als R & S-Arbeiterin in Chicago beschäftigt gewesen und hatte dabei geholfen, die letzten Spuren von Gebäuden und Straßen am Ufer des Sees zu entfernen. Es war eines der größten Rückgewinnungsprojekte auf dem Gebiet der Familie Fontaine gewesen. Die Wolkenkratzer in der Innenstadt waren schon vor Jahren abgerissen worden, doch die Arbeit an den Vorstädten und Außenbezirken schien kein Ende zu nehmen. Als Ausreißerin ohne jede Qualifikation oder Unterstützung wäre Macy immer noch eine einfache Arbeiterin, wenn Fela Fontaine damals nicht drei verschiedene
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