Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
irgendetwas anderes achten wird.«
»Also gut. Dann können Sie denen von mir aus sagen, dass ich mich freiwillig gemeldet habe.«
Roxy nahm einen weiteren Schluck von ihrer Bierflasche. »Heute Morgen sind ein paar meiner Arbeiter im Untergeschoss einer großen alten Ruine auf die Überreste eines Schreins der Wildsider gestoßen – Autoteile, Knochen und eine Pyramide aus mehr als hundert Menschenschädeln. Ein paar davon sehr klein, Kinderschädel … Die Welt ist ziemlich im Eimer, meine Liebe. Es wird noch lange dauern und ziemlich viel Arbeit kosten, sie wieder in Ordnung zu bringen. Wenn Sie tatsächlich in den Weltraum fliegen, kann ich Ihnen versprechen, dass es bei Ihrer Rückkehr immer noch genügend zu tun geben wird.«
Macy versuchte, nicht mehr weiter darüber nachzudenken. Sie sagte sich, dass nur wenig Chancen bestanden, dass sie tatsächlich einen Platz in der Mannschaft erhalten würde, dass sie sich immer noch Gedanken darüber machen konnte,
wenn es wirklich so weit war. In der Zwischenzeit hatte sie genug zu tun. Deshalb war sie überrascht, als sie einen heftigen Stich der Enttäuschung verspürte, als sie zwei Wochen später erfuhr, dass sie es nicht in die engere Auswahl geschafft hatte. Sie stürzte sich wieder in ihre Arbeit. Das Lake Champlain-Projekt neigte sich gerade seinem Ende entgegen, als Roxy sie anrief und ihr sagte, dass Emmanuel Vargo mit ihr sprechen wollte.
Der Ingenieur traf in einem Flugzeug mit Kipprotor ein, das niedrig über den Baumwipfeln dahinflog und auf einer Wiese am Seeufer landete. Er war ein großer, breitschultriger Mann mit dunkler Haut und einem Kahlschädel, trug blaue Jeans und ein teures, wenn auch etwas zerknittertes gelbes Seidenjackett, auf dessen Revers ein Kaffeefleck prangte. Er schüttelte Macy kräftig die Hand und musterte sie mit scharfsinnigem, prüfendem Blick.
»Lassen Sie uns ein wenig in den Wäldern spazieren gehen«, sagte er.
Es war ein schöner, klarer Tag Mitte Oktober. Sie schlenderten unter Bäumen dahin, die über und über in herrlichen Rot- und Goldtönen erstrahlten. Mit Pulsgewehren bewaffnete Soldaten gingen vor und hinter ihnen. Emmanuel Vargo stellte kluge Fragen über Macys Arbeit, bevor er zur Sache kam und ihr erzählte, dass sich derjenige, der ursprünglich dazu ausersehen war, die mikrobielle Ökologie des Bioms von Rainbow Bridge zu entwerfen, von dem Projekt zurückgezogen hatte.
»Er stammt aus der Europäischen Union, ein Mitglied der Familie Couperin. Vor zehn Tagen ist das Oberhaupt der Couperins gestorben, und sein Nachfolger schlägt einen härteren Kurs gegen die Außenweltler ein. Und eine seiner ersten Amtshandlungen war es, die drei Leute, die seine Familie zur Mannschaft beigesteuert hatte, wieder zurückzuziehen.
Pech für sie, Glück für uns, denn nun können wir drei Brasilianer als Ersatz anheuern. Deswegen bin ich hier, Miz Minnot. Um Sie zu bitten, sich meiner Mannschaft anzuschließen.«
Sie standen auf einer kleinen Lichtung. Die Blätter einer Reihe von Ahorn-Schößlingen leuchteten rot wie frisches Blut im Licht der niedrig stehenden Nachmittagssonne. In der sauberen Luft hing bereits ein Hauch von Frost.
Macy sagte: »Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Mr. Vargo?«
Emmanuel Vargos Lächeln enthüllte schiefe braune Zähne, und seine Augen verrieten einen feinen Sinn für Humor. »Von mir aus gern.«
»Sind Sie hier, weil mich ein hochrangiges Mitglied der Familie Fontaine empfohlen hat?«
»Ich bin hier, weil Sie die beste Spezialistin für Mikroben sind, die vorgeschlagen wurde. Leider musste ich wegen gewissen politischen Unsinns anfangs jemand anderen auswählen. Glücklicherweise verschafft mir derselbe politische Unsinn nun die Gelegenheit, die Situation wieder zu beheben. Sie haben nicht besonders viel Erfahrung, aber das ist bei den meisten Kandidaten so – die anderen Familien waren eher zurückhaltend damit, hochqualifiziertes Personal für das Projekt vorzuschlagen. Aber das macht nichts. Da wir auf einem neuen, unbekannten Gebiet arbeiten werden, zählt Talent mehr als Erfahrung. Und ich halte Sie für sehr talentiert. Deswegen bin ich persönlich hierhergekommen, um Sie zu bitten, mir die Ehre zu erweisen, sich meiner Mannschaft anzuschließen.«
Normalerweise war Macy keine Frau, auf die die meisten Männer einen zweiten Blick geworfen hätten, doch wenn sie lächelte, verlor ihr Gesicht seinen gewohnten reservierten Ausdruck und wirkte so verwandelt wie ein Zimmer mit
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