Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
Vom Netzwerk:
weichen Geschmack von Sumatra Mandheling nachahmen könne, als sie die drei Kosmoengel sah, die sich einen Weg durch Bänke und Tische, Kübel mit Moosen, Farnen und Blumen, Cafés und Verkaufsstände auf sie zu bahnten. An einem Mann und einer Frau vorbei, die über ein Schachbrett gebeugt dasaßen, einem weiteren Mann, der verschiedene geometrische Figuren betrachtete, die auf einer leuchtenden Memofläche durcheinanderwirbelten, und einer Gruppe von Kindern, die an einem Tisch vor einem Bäckereigeschäft lernten, wie man Brot bäckt, und unter lautem Quietschen und Plappern Teigklumpen kneteten.
    »Kann man das Gesicht Gottes tatsächlich in einer irrationalen Zahl finden?«, fragte Jibril laut.
    Macy wusste sofort, dass der Kosmoengel irgendwie von der Kirche des Göttlichen Regresses erfahren hatte, und sie stand auf, während ihr das Adrenalin durch die Adern schoss. Kampf oder Flucht. Wut und Bestürzung.
    »Vielleicht können Sie mir ja helfen, das zu begreifen«, sagte der Kosmoengel. »Ich weiß, dass bei Pi die Ziffernfolge nach dem Komma unendlich ist und sich aufeinanderfolgende Ziffern niemals wiederholen. Aber selbst wenn darin irgendwo eine vollständige Beschreibung des Universums versteckt wäre, bräuchte man doch sicher unendlich viel Zeit, um sie zu entschlüsseln. Und was die Suche nach Gott anbelangt …«
    »Ich werde nicht meine Zeit damit verschwenden, mit Ihnen zu sprechen«, sagte Macy.
    »Aber es interessiert mich wirklich«, sagte Jibril und stellte sich Macy in den Weg, als sie an jo vorbeigehen wollte.

    Der Kosmoengel war zweieinhalb Meter groß, schlank wie ein Schilfrohr und wie immer nur spärlich bekleidet. Jibril trug äußerst knappe Shorts, Sandalen und eine Art Patronengurt, um jos porenfreie weiße Haut, die Galerie aus Tätowierungen und die schillernden Schuppen auf jos Brust möglichst vorteilhaft zur Schau zu stellen. Jos grüngoldene Augen glitzerten über rasiermesserscharf geschnittenen Wangenknochen. Jibrils Begleiter, die ebenso groß und schlank waren wie jo, ragten über Macy auf und versperrten ihr den Weg. Eine Drohne hing über ihnen, die Kamera an ihrem Bauch direkt auf Macy gerichtet.
    »Nach welcher Art Gott haben Sie denn gesucht?«, fragte Jibril. »Den weißbärtigen Patriarchen aus alten Zeiten? Oder jemand, der Ihrem Ebenbild gleicht?«
    »Gott bewahre«, sagte einer der Anhänger.
    »Nein, wir müssen Nachsicht üben«, sagte Jibril. »Auch wenn die Vorstellung eines Gottes nach Macy Minnots Ebenbild tatsächlich ziemlich abstoßend ist.«
    Jon Ho fragte die Kosmoengel, ob sie seinem Gast gestatten würden, auf friedliche Weise das Café zu verlassen. Doch Macy sagte ihm, dass sie seine Hilfe nicht brauchte, stützte sich mit beiden Händen auf den Barhockern neben sich ab, stemmte sich in der niedrigen Schwerkraft auf die Theke hoch, drehte sich darauf herum und sprang auf der anderen Seite wieder hinunter.
    »Ein Schimpanse mit breiten Hüften und krummen Beinen«, rief Jibril Macy hinterher, während sie davonging. »Das klingt mir nicht gerade wie eine Beschreibung des Schöpfers des Universums, oder?«
     
    Am nächsten Morgen warteten Jibril und jos kleiner Zirkel am Eingang der U-Bahn, die East of Eden mit den unterirdischen Farmtunneln verband, auf Macy. Die beiden Anhänger
leierten im Chor Zahlen herunter, während Jibril Macy mit lauter Stimme fragte, ob sie wirklich glaube, dass sich Gott in Ihrer Herrlichkeit durch einfache arithmetische Tricks enthüllen ließe. Macy ging an jo vorbei, die Fäuste in den Taschen ihres Wamses geballt, ohne auf die Drohne zu achten, die ihr folgte. Doch am nächsten Tag waren die Kosmoengel wieder da und fragten sie, ob sie auch in der Stadt ihren Glauben verbreiten und die Stadtbewohner in Zombies verwandeln wolle, die in den Eingeweiden einer irrationalen Zahl nach dem Geheimnis des Universums suchten.
    Sie reagierte nicht darauf, sagte nichts und warf ihnen nicht einmal einen finsteren Blick zu. Die Kosmoengel veröffentlichten die Aufnahme trotzdem auf ihrer Webseite.
    »Sie sollten es nicht persönlich nehmen«, sagte Ivo Teagarden zu ihr. »Für Jibril sind Sie nur Rohmaterial für jos Kunst.«
    »Ein Leben ins Rampenlicht zu zerren, das ich schon vor langer Zeit zurückgelassen habe, ist ziemlich persönlich.«
    In der vorangegangenen Nacht hatte Macy von der Kirche geträumt. Die Ansammlung von Wohnwagen, die um ein altes Raketensilo herumstanden, im gelbbraunen Licht eines der Staubstürme, die aus

Weitere Kostenlose Bücher