Der stille Ozean
verwandelt hatte.)
Als es dunkel geworden war, traf Golobitsch mit den Bauern ein, die ihm beim Maisschälen halfen. Sie setzten sich auf den Haufen, knüpften die Kolben an den Federn zusammen und warfen sie in Körbe, die ein junger Mann auf den Dachboden trug. Der Hut des Musikanten hing am Fenster. Ascher sah, daß er einen Wattepfropfen im Ohr hatte. Er war mit einer roten, goldgemusterten Seidenweste bekleidet, seine falschen Zähne waren zu groß. Wahrscheinlich war er abgemagert. Übrigens war auch die Frau, die er kennengelernt hatte, als er mit Golobitsch das Gewehr und die Pistole ausprobiert hatte, anwesend. Sie hieß Kürbisch und saß neben ihrem Lebensgefährten, einem kleinen, kräftigen Mann mit einem zerbeulten Hut und dem Aussehen eines Chinesen. Zumeist war er von starrem Ernst. Er wagte kaum aufzuschauen, hielt den Kopf gesenkt, als habe er Angst davor, getadelt zu werden. Man sagte, daß er über vierzig Jahre Knecht gewesen war und den Arbeitsplatz stets mit dem Quartier gewechselt habe. Ascher hatte den Eindruck, daß alles, was er tat, vom Wunsch nach Unauffälligkeit begleitet wurde. Sprach ihn jemand an, dann senkte er den Kopf noch mehr. Solange er nüchtern war, lachte er über keinen Witz, den man über ihn und seine Frau machte. Wegen der Bemerkungen seiner Frau schämte er sich, weshalb er ihr, wenn er sich unbeobachtet glaubte, einen Stoß gab. Seine Frau neigte daraufhin folgsam ihr Ohr zu seinem Mund und hörte zu, weshalb er sie tadelte. Ascher blickte des öfteren auf den geschmückten Balg der Ziehharmonika, der auseinandergezogen ein Muster aus Edelweiß, Almenrausch und Enzian zeigte und zusammengepreßt rot war. Die Perlmuttknöpfe hatten durch den stetigen Fingerdruck ihre Form verändert, die Chromverzierungen und das dunkle Holz waren poliert. Die Musik schien der Arbeit verwandt. Sie bestand aus den einfachsten Griffen, die sich eintönig wiederholten, jedoch in der Geschwindigkeit und Fehlerlosigkeit der Ausführung doch kompliziert waren. Um Mitternacht war die Arbeit beendet. Eine Frau kehrte im Vorraum mit einem Besen die Maisfedern auf, die blaßgelb und hellviolett auf dem Boden lagen, die Körbe waren aufeinandergeschichtet. Wenn jemand fortging, begleitete ihn der Musikant spielend zur Tür hinaus. In der Küche tanzten alte Frauen mit jungen Männern. Als letztes ging der Musikant für sich selbst spielend, bis er in der Dunkelheit verschwand.
Eine Zeitlang lag Ascher in seinem Zimmer. Dann hörte er Motorgeräusche. Ein Fahrzeug kam den Weg zu seinem Haus hinaufgefahren. Er spürte etwas wie Furcht, er wußte nicht warum. Das Fahrzeug blieb stehen, der Motor lief, wurde abgestellt. Ascher machte Licht und stieg die Dachbodentreppe hinunter. Währenddessen sah er den alten Mantel, den Golobitsch sich für den Winter hergerichtet hatte, von einem Dachsparren hängen. Wie leicht hätte er ihn mit einem Menschen verwechseln können. »Es ist gut zu wissen, daß es ein Mantel ist«, dachte er. Er machte im Vorraum Licht. »Bist du es?« fragte seine Frau hinter der Eingangstür. Ascher sperrte auf. »Ich dachte, ich komme spät in der Nacht, wenn man mich nicht bemerkt«, sagte sie und umarmte ihn.
»Ich lebe wie ein Verbrecher«, dachte Ascher. Seine Frau war nicht sehr groß, hatte ein hübsches Gesicht, blondes Haar, das sie kurz geschnitten trug. »Sie haben dich trotzdem gesehen«, sagte er zu ihr. Ihm war der Mann im Gasthaus eingefallen, und er glaubte, was dieser gesagt hatte.
Ascher hatte Therese als Student kennengelernt. Sie war Sekretärin in einem Privatkrankenhaus gewesen, in dem er gearbeitet hatte. Nachdem sie geheiratet hatten, hatte sie ihren Beruf aufgegeben. Sie wollte nicht mehr an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren, da sie das Gerede der Arbeitskollegen fürchtete. Ascher gegenüber hatte sie es immer als unbedeutend dargestellt. Sie dachte nie sorgfältig an die Zukunft, sondern vertraute sich dem Problem an, mit dem sie gerade beschäftigt war. Aschers Eltern waren geschieden, keiner von beiden hatte wieder geheiratet. Der Vater hatte eine Drogerie geführt, die Mutter hatte nach der Scheidung nicht mehr im Laden weitergearbeitet, sondern war zu ihrer Schwester gezogen, mit der sie gelegentlich kleine Ausflüge und Reisen unternahm. Der Vater hatte eine Freundin gehabt, die ihn jedoch bald nach der Scheidung verlassen hatte, als er an Krebs erkrankt war. Allerdings hatte es mehr als fünfzehn Jahre gedauert, bis er gestorben
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