Der stille Ozean
entkommen. Er ging am Uferrand entlang und schaute nach ihr aus. Der Hund lief mit gesenkter Schnauze vor ihm her, und als er auf einen Bau gestoßen war, begann er wild zu graben. »Die meisten Bisamratten schieße ich zwischen Jänner und April«, sagte Zeiner. »Natürlich schieße ich sie auch zu anderen Zeiten, aber vor Mitte Dezember sind die Felle noch nicht richtig, und die Fellhändler zahlen keine guten Preise.« Der Hund hörte zwischendurch mit dem Graben und Schnüffeln auf, wenn er Kalmuskraut, mit dem die Bisamratten die Gänge der Baue auslegten, in das Maul bekam.
Zeiner lachte dazu. Nach einer Weile sagte er: »Ist keine drinnen«, und ließ den Hund weitersuchen. Sie folgten dem schnüffelnden Hund, als Ascher Hofmeister von der anderen Seite auf sie zukommen sah. Zeiner wartete auf ihn.
»Wollen Sie Bisamratten schießen?« fragte Hofmeister Ascher. Er hatte ein übernächtigtes Gesicht und kleine Augen. »Wir schießen jetzt mehr wegen der Tollwut. Sie haben gesehen, wohin das führt.«
»Der Mann hatte keine Tollwut«, sagte Ascher. »Aber es hätte sein können. Die Tiere sind gefährlich«, gab Hofmeister zurück.
Ascher antwortete, daß er ein falsches Bild von der Tollwut hätte, es seien, seit der Fuchs geschossen worden sei, keine neuen Fälle aufgetreten, Hofmeister wollte jedoch nichts davon hören. »Die Bisamratten schießen wir ohnedies«, sagte er abwehrend. »Im Frühjahr, wenn wir den Teich auslassen, kommen sie aus den Löchern, und wir können sie erlegen. Einmal haben wir an einem Vormittag achtundzwanzig Stück geschossen. Sie machen den ganzen Damm kaputt.« Er hielt noch immer Aschers Hand, die er geschüttelt hatte, und erzählte gehend, daß er über Nacht eine Falle aufgestellt habe. Hinter dem Futtersteg blieb er stehen, kniete sich auf den Boden und zerstörte mit der Hand die dünne Eisfläche am Ufer, die wie Glas in Scherben zerbrach. Dann holte er vorsichtig die Falle mit einer toten Bisamratte heraus. Die Falle hatte sie in der Körpermitte getroffen und gequetscht. Ihr braunes Fell war naß und unansehnlich, Wasser tropfte auf den Boden. Ascher schätzte, daß sie fast so groß war wie ein Kaninchen. Ihr Schwanz war seitlich zusammengedrückt und beschuppt und glich einer toten Blindschleiche. Während sie einige Schritte weitergingen und warteten, bis Hofmeister mit der Hand Löcher, die am Ufer vom Wasser in die Erde führten, durchsucht hatte (er sagte, wenn sie verschlammt seien, bewohne keine Bisamratte den Kanal mehr), erklärte Hofmeister, wie die Falle funktionierte. Sie bestand aus zwei Schlageisen, die mit einem Gelenk verbunden waren, und einem Stück Draht, das gespannt war, sobald die Schlageisen aufgeklappt wurden. Als Köder, führte Hofmeister, sich neuerlich hinkniend und dabei ächzend, aus, verwende er Apfelscheiben. Die Bisamratte berühre, indem sie die Apfelspalte fresse, den Draht, worauf die Eisen zufielen. Er sitze, wenn er Lust habe, auch manchmal auf Bisamratten an und schieße sie mit Schrot, mit den Fallen aber sei es bequemer.
Abwechselnd trugen Hofmeister oder Zeiners Hund die tote Bisamratte. Einzelne gelbe Blätter, die von Reif bedeckt waren, hingen an den Büschen. Endlich hatte Hofmeister die Falle wieder aufgestellt.
»Kommen Sie auf ein Glas Wein«, sagte er. Sie gingen bergauf über einen Stoppelacker, jetzt trug der Hund die Bisamratte im Maul, und Hofmeister machte die Bemerkung, sie hätten nicht gewußt, daß er ein Doktor sei. »Wir haben alles gehört, aber es macht uns nichts aus«, warf Zeiner ein. »Es geht uns nichts an«, unterbrach ihn Hofmeister.
Hofmeisters Frau sah immer weg, wenn Ascher sie anschaute. Mit abgewendetem Gesicht verrichtete sie ihre Handgriffe, holte eine Flasche Rotwein aus der Kredenz und Kaffeeschalen, aus denen sie tranken. Der Bretterboden war geschrubbt, an der Wand hing, das war ihm vor der Hochzeit nicht aufgefallen, ein altes gerahmtes Bild mit k.u.k.-Soldaten, über das ein Etikett in Herzform mit der Aufschrift: »Die Steiermark, das grüne Herz Österreichs« geklebt war. Durch ein geöffnetes Fenster blickte ein Koch mit Mütze in einen Kasernenhof, in dem eine große Gruppe von Soldaten in Mänteln für den Fotografen Aufstellung genommen hatte. Auf dem Boden lagen drei Männer auf zusammengeworfenen Decken. Alle, außer den Offizieren, hatten die Gewehre um die Schulter gehängt, die Hände der Soldaten waren bloß, die Offiziere trugen Handschuhe, einer hatte sitzend die
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