Der stille Sammler
Suche nach der verschwundenen Laura Coleman ablenkte. Also übte ich die Geschichte ein, die ich Max erzählen wollte, und beleuchtete sie von jeder Seite, um nach Schwachstellen zu suchen. »Sag mal, Max, erinnerst du dich an den Burschen, den ich damals versehentlich umgelegt habe? Komisch, aber das ist mir schon wieder passiert.« Nein, das ging auf keinen Fall.
Ich war auf dem Weg nach Hause, tief in Gedanken versunken, und nahm den Verkehr um mich herum kaum wahr. Doch zehn Kilometer vor dem Abzweig zu unserer Straße sah ich den Catalina State Park. Einer spontanen Eingebung folgend bog ich ab, um den Hunden ein bisschen Auslauf zu verschaffen und Entspannung für mich selbst zu suchen. Der Mann am Haupteingang gab mir ein Ticket für die Windschutzscheibe und bewunderte die Hunde. »Passen Sie auf, Miss«, fügte er hinzu. »Könnte anfangen zu regnen.«
Ich fuhr das kurze Stück bis zum Parkplatz, legte den Möpsen die langen Leinen an, die ich immer im Kofferraum hatte, verstaute eine kleine Wasserflasche in einer Tasche meiner Cargohose und schob mir die Haare unter eine Baseballkappe. Da nur wenige andere Fahrzeuge auf dem Parkplatz standen und weil ich auf der sicheren Seite bleiben wollte, nahm ich auch die Smith & Wesson aus dem Handschuhfach. Niemand war nach mir in den Park eingebogen, aber ich gehörte nicht zu den Menschen, die sich verstecken.
Ich überquerte den Parkplatz und ging zum Anfang des Rundwegs, der durch den Romero Canyon führte, dann den Canyon Loop Trass hinauf und nach links über den Birding Loop wieder zurück.
Ich musste meine Schuhe ausziehen und den Canada del Oro Wash durchqueren, der wegen des Regens am Abend zuvor nun Wasser führte, wenngleich es nur knöcheltief war. Einen Kilometer flussaufwärts von hier hatte ich Gerald Peasil getötet, an einem trockeneren Tag. Ich bildete mir ein, einen von Peasils Flipflops zu sehen, doch es war nur ein flachgetretener Scheißhaufen von einem Kojoten, durchsetzt mit Mesquite-Samen.
Ein Schild wies zu einem schmaleren Weg durch ein Gehölz aus struppigen Bäumen, nicht viel höher als zwei, drei Meter. Sie spendeten etwas Schatten, und wir hielten einige Male an, um zu trinken – ich aus der Flasche, die Hunde aus meiner Hand.
Über Felsen, die zu Stufen angeordnet waren, ging es zu einer kleinen Mesa hinauf. Die Stufen waren allerdings zu steil für die Hunde, sodass ich mir die beiden auf halbem Weg schnappte, den einen links unter dem Arm, den anderen rechts, und sie bis nach oben trug. Gott sei Dank machte mein Rücken keine Probleme.
Oben angekommen, setzte ich mich auf eine Parkbank, die zum Gedenken an einen unbekannten Naturliebhaber aufgestellt worden war, ruhte mich aus und genoss das Panorama. Ich betrachtete den Gebirgszug im Osten. Wie es um diese Jahreszeit häufig der Fall ist, ballten sich über dem Mount Lemmon Wolken zusammen, die wie dicke schwarze Wattebäusche in unsere Richtung schwebten.
Ich gab den Hunden noch einmal Wasser und rechnete mir aus, dass mir noch ein paar Minuten blieben, bevor ich umkehren musste, wollte ich nicht vom Regen nass werden. Es war nicht ratsam, sich in dieser Jahreszeit von Unwettern überraschen zu lassen, wenn ein Blitz auf den anderen folgt und es wie aus Eimern schüttet.
Sämtliche Wege auf der Karte führten über den Samaniego Ridge, aber der war noch ein ganzes Stück entfernt. Die Sonne verlor den Wettlauf gegen die Wolkenfront, funkelte hier und da aber noch in Rinnsalen, die sich zu kleinen Tümpeln gestaut hatten. Es sah aus wie ein gigantischer Spiegel, den ein Riese an der Bergspitze zerschlagen hatte und dessen glitzernde Scherben jetzt überall verteilt lagen. Ich fragte mich, was Carlo sehen würde, wäre er hier bei mir – vielleicht tanzende Schmetterlinge –, und wünschte, ich könnte das Gleiche sehen. Dann dachte ich an meine nachmittägliche Verabredung mit einer halb verwesten Leiche und begriff, dass ich dazu wohl nie in der Lage sein würde.
Während ich zu den fernen Bergen blickte und meinen Gedanken nachhing, bewegte sich eine der Spiegelscherben plötzlich ein Stück nach links. Hätte ich nicht zufällig genau auf die Stelle geschaut, es wäre mir nicht aufgefallen. Doch während ich nun den funkelnden Punkt beobachtete, bewegte er sich erneut. Er hüpfte, als wäre er an einer Person befestigt, die von einem Felsen zum anderen sprang, abseits von allen vorgegebenen Wegen. Als würde die Sonne sich an einem Stück Metall oder Glas
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