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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becky Masterman
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die Tränen in die Augen getrieben hätte. Nur war ich kein Zuschauer. Ich steckte mittendrin.
    Während wir den Hang hinunterrutschten, klatschten die ersten kalten Wassertropfen, groß wie Heidelbeeren, auf die heißen Steine. Sekunden später vereinten sich die Tropfen zu einem einzigen massiven Guss, was mir das Rutschen erleichterte und unser Vorankommen beschleunigte. Ein paarmal knallte ich mit dem Steißbein unsanft gegen harte Brocken, doch wir schafften es, den heimtückischen Kaktuspflanzen auszuweichen und unbeschadet unten anzukommen. Ich wusste, dass es riskant war, die Pistole wieder einzustecken, doch mir blieb keine andere Wahl. Ich beugte mich vor, sammelte die beiden Hunde auf und klemmte sie mir rechts und links unter die Arme, sodass wir schneller vorankamen.
    Trotzdem hielt ich mich abseits des Weges und rannte stattdessen durch das Gestrüpp und um die Kakteen herum. Eine falsche Bewegung, und ich hätte festgehangen. Ich sah keine andere Person, niemanden, der mir den Rückweg abschnitt. Das war nur logisch: Der Regen begrenzte die Sicht auf unter fünf Meter, und der Unbekannte verspürte wahrscheinlich genauso wenig Lust, sich von mir überraschen zu lassen wie ich mich von ihm – zum einen, weil wir beide nun wussten, dass ich keine leichte Beute war, zum anderen, weil er vielleicht befürchtete, identifiziert zu werden.
    Was den Schluss zuließ, dass ich ihn möglicherweise kannte.
    Mit reichlich Glück kam ich zurück zum Fluss und zu der Stelle, wo alle Wege zusammenliefen. Ich durchwatete den Wasserlauf, bevor er ein reißender Wildbach wurde, der mich und die Hunde mit sich riss.
    Zurück am Wagen warf ich die Möpse auf den Beifahrersitz, wo sie hechelnd und traumatisiert hockten und leise vor sich hin dampften. Ich schwang mich hinter das Lenkrad, die Smith & Wesson im Schoß, und wartete, bis ich wieder halbwegs zu Atem gekommen war. Dann fuhr ich langsam über den Parkplatz und spähte zwischen den Scheibenwischern hindurch auf die anderen Fahrzeuge. Es gab zwei, in denen Leute saßen und auf das Ende des Wolkenbruchs warteten. Der Killer hätte doppelt so weit laufen müssen wie ich – er saß mit Sicherheit nicht in einem der Wagen. Er war von einer anderen Stelle aus in den Park gekommen.
    Ich fuhr zu unserem Haus zurück, wo ich erst einmal Carlo beruhigen musste, dass die Hunde und ich zwar nass vom Unwetter, ansonsten aber wohlauf waren. Dann beschäftigten wir uns mit unseren eigenen Aktivitäten – ich vor allem damit, die widerspenstigen Kaktusstacheln aus meinem Hemd zu ziehen und es schließlich wegzuwerfen.
    Die ganze Zeit ging mir die Frage durch den Kopf, wer versucht hatte, mich zu töten – jetzt schon zum zweiten Mal. Ich hatte mehr als genug Dreckskerle lebenslänglich hinter schwedische Gardinen gebracht, ohne Aussicht auf Begnadigung. Aber es waren auch welche dabei gewesen, die zu geringeren Strafen verurteilt worden waren und wieder rauskamen, und einige von denen hatten mich in der Vergangenheit bedroht. Doch bisher war ich jedes Mal benachrichtigt worden, wenn eine Entlassung bevorstand, und Sigmunds Worten zufolge hatte es in letzter Zeit keine gegeben. Abgesehen davon war ich überzeugt, dass es etwas mit Floyd Lynch zu tun hatte, was den Kreis möglicher Verdächtiger weiter eingrenzte. Familienangehörige waren es bestimmt nicht. Sicher, die Schützen hatten sich in der Gegend ausgekannt, aber aus welchem Grund sollten Floyds Verwandte es auf mich abgesehen haben? Um zu verhindern, dass ich seine Unschuld bewies? Wenn man dem Vater glauben konnte, war er froh, wenn Floyd tot war.
    Meine unmittelbare Sorge: Wenn jemand so unbedingt meinen Tod wollte, dass er es schon zweimal versucht hatte, würde er es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein drittes Mal versuchen. Oder er würde gegen Menschen vorgehen, die mir etwas bedeuteten. Ich dachte an die Gefahr für mein Rudel, stellte mir Klapperschlangen im Briefkasten vor und Köder mit Frostschutz für die Möpse oder wie jemand meinen geliebten Professa entführte. Folterte. Hatte ich erwähnt, dass ich eine lebhafte Fantasie habe?
    Ich rief Gordo Ferguson an, einen ehemaligen Secret-Service-Agenten, den ich von früher kannte und der jetzt in Tucson eine Firma für Personenschutz leitete. Er gehörte zu den Typen, die eine ganze Rugby-Mannschaft einschüchtern konnten – und wenn die Gerüchte stimmten, es sogar schon mal getan hatte. Er schuldete mir mehr als einen Gefallen, und ich fragte ihn, ob er Carlo

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