Der stille Schrei der Toten
an werd ich sicher daran denken, im Smoking zu erscheinen, wenn es um einen Mord geht. Das vergess’ ich immer wieder und ich hab, zum Teufel noch mal, keine Ahnung, woran das liegt.«
»Du bist einfach von Natur aus ungeschliffen, Bucko, kleiner Schmutzfink. Da kannst du gar nichts dafür.« Bud trug es mit Fassung, wenn Buckeye über seine Eleganz lästerte. Das Gefrotzel war nicht neu für ihn. »Verdammt, dieses Hemd hast du schon seit sechs Jahren nicht mehr gewechselt. Warum tust du uns allen nicht einen Gefallen und lässt es durch deine Frau entsorgen, ehe es auf eigenen Beinen davonläuft?«
Buckeye gab sich gekränkt. »Hey, das ist mein Angelhemd und bringt mir Glück. Mein Boot ist voll betankt bis oben und bereit rauszudonnern, sobald ich die Kleine hier eingesackt, markiert und in die Stadt gebracht habe. Ich habe heute normalerweise frei, falls du das vergessen hast. Ich bin nur hier, weil Charlie extra aus Jeff City angerufen und um meine Mitarbeit gebeten hat, bevor ihr Penner alles vermasselt.«
Bud erwiderte: »Vermasseln? Wir? Jetzt mach aber halblang, Mann. Wir sind so gut, dass die Opfer uns unbedingt haben wollen.«
Ich sagte: »Sie ist draußen im Wasser, Buckeye. Packen wir’s an.«
»Ihr habt also ’ne Wasserleiche, hm?« Buckeye sah mich an. Er hatte schneeweißes, volles Haupthaar, die Haare im Gesicht aber waren schwarz – die Brauen, sein Schnauzbart und ein kurzer, gepflegter Kinnbart. Er hatte sein ganzes Leben am See verbracht, und seine Anwartschaft auf ewigen Ruhm bestand in den vielen Trophäen als Sieger von Barsch-Angelturnieren. Er gab gern offen und gegenüber jedermann zu, sein Geschick im Obduzieren von Leichen rühre von den zahllosen Fischen her, die er im Lauf der Jahre filetiert hatte.
»Richtig, aber es kommt noch was dazu. Die Tote ist Sylvie Border, die Königin der Seifenopern.«
»Mach keinen Scheiß. Sie ist die Kleine, die Amela spielt? Diese sexy Göre mit der Frisur wie Jean Harlow?«
»Du weißt, wer Sylvie Border ist?« Ich war erstaunt, dass Buckeye in punkto Nachmittagsprogramm auf dem Laufenden war.
»Klar. Sie ist der Liebling meiner Frau. Brigitte hat seit zwanzig Jahren keine einzige Folge von A Place in Time versäumt. Und vor gar nicht langer Zeit brachte Entertainment Tonight einen Beitrag über ein Brusttattoo, dass Sylvie sich zugelegt hat. Sogar bis ins Tätowierstudio hat das Fernsehteam sie begleitet. Auf dem Hintern hat sie auch noch ein kleines Gänseblümchen, aber das wollte sie dann doch nicht herzeigen.«
Die Sache wird immer noch merkwürdiger, dachte ich. »Heißt so Sylvies Serie? A Place in Time? «
»Ja. Die derzeitig Aktuelle. Kommt jeden Tag um ein Uhr, gleich nach den Mittagsnachrichten. Brigitte sagt, sie gewinnen heuer den Emmy als beste Soap des Jahres.«
»Vicky soll alles auf Video aufnehmen und so viele Fotos machen wie möglich. Dann nehmt ihr euch die Bude von oben bis unten vor. Der Typ hat alles arrangiert, und zwar peinlich genau, versucht also zu kriegen, was ihr nur könnt. Ich spekuliere vor allem auf Fußabdrücke, und da ist vor allem der Wald vor dem Haus interessant.«
Buckeye wandte sich seinem Team zu. »Hey, Vicky, die Leiche befindet sich draußen im Wasser. Beeil dich, draußen auf dem See wartet ein Zehnpfünder auf mich.«
Bud war mit seinem Handy beschäftigt. »Genau, Buckey, mit diesem Monsterbarsch liegst du uns schon seit Jahren in den Ohren. Vielleicht schreckt ihn ja dieses abscheuliche Hemd ab.«
»Los jetzt, bevor hier die ersten Jetboote auftauchen, weil die Leute Fotos von ihrem Soapstar machen wollen«, sagte ich. Ich war nicht zu Scherzen aufgelegt. »Ihr Name und Details vom Tatort sind strikt geheim, bis sämtliche Beteiligten vernommen sind. Ist das klar?«
Bud hatte bereits den Presseagenten von Gil Serna erreicht. Er hielt mir den gereckten Daumen entgegen, als ich ins Schlafzimmer ging und darauf wartete, dass Vicky ihre Ausrüstung draußen auf der Veranda aufgebaut hatte. Bud führte unterdessen ein angeregtes Telefonat. Er würde sicher alles in Erfahrung bringen, was wir wissen mussten. Mit seinem Charme konnte er jede Nonne bezirzen.
Das Schlafzimmer war ein einziges Chaos. Merkwürdig, in Anbetracht der peniblen Ordnung, die hier sonst überall herrschte. Das Gesamtdekor war in cremefarben und rosé gehalten, sündhaft teuer, die zerknautsche Bettdecke mit Seidendamast bezogen. Man musste schon neidlos anerkennen, dass Nicholas Black sich mit seinem
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