Der Stolz der Flotte
Bolitho ärgerlich-überrascht entgegen. »Wir sind noch nicht ganz fertig, Bolitho.« Er deutete auf Draffen, der an der Schottwand lehnte. »Sir Hugo ist eben dabei, mir etwas zu erklären.«
Doch Bolitho blieb entschlossen in der Mitte der Kajüte stehen, die irgendwie leer wirkte, da die wertvolleren Möbel und Einrichtungsgegenstände vor dem erfolglosen Angriff zur Sicherheit unter die Wasserlinie geschafft worden waren. Immerhin konnte Broughton zufrieden sein, denn ihm blieb das totale Durcheinander erspart, das bei Klarschiff in einem Dreidecker britischer Bauart geherrscht hätte. Dann wäre nämlich sein Quartier, wie alle Wohnräume im ganzen Schiff, vollkommen geleert worden und die sonst so geheiligte Kajüte von den Abgasen der dort stationierten Geschütze völlig verqualmt und verdreckt gewesen. Aber hier befand sich die nächste Kanone hinter der Schottenwand, so daß der Anblick dieser Kajüte, nach der spannungsgeladenen Atmosphäre an Deck, Bolithos Ärger über die Zurücksetzung noch verstärkte.
»Ich würde vorschlagen, daß wir rasch handeln, Sir«, erwiderte er. Broughton hob die Hand. »Über die Dringlichkeit bin ich mir durchaus klar.« Doch er schien zu spüren, daß Bolitho sich ärgerte, und fuhr kühl fort: »Aber sprechen Sie nur, wenn Sie wünschen.«
»Sie haben das Kastell gesehen, Sir, und wissen, daß der Versuch, die Spanier von See aus zur Aufgabe zu zwingen, zwecklos ist. Der Einsatz von Schiffen gegen feste Küstenbatterien und Verteidigungsanlagen hat nach meiner Erfahrung noch nie Erfolg gehabt.«
Finster erwiderte Broughton: »Wenn Ihnen daran liegt, daß ich es zugebe: Sie waren von Anfang an gegen eine solche Aktion – bitte sehr. Da wir jedoch weder die Möglichkeit noch die Kampfkraft für eine kombinierte Operation, noch die Zeit haben, die Garnison auszuhungern, sehe ich keine Alternative.«
Bolitho atmete langsam aus. »Nur durch sein Kastell wird Djafou zu einem Dorn im Fleisch jeder in diesen Gewässern operierenden Seemacht, Sir.«
»Aber Bolitho, das ist doch einigermaßen selbstverständlich«, warf Draffen ein.
»Meiner Ansicht nach«, erwiderte Bolitho und sah ihn fest an, »müßte das in erster Linie für den selbstverständlich gewesen sein, der diesen Plan entworfen hat, Sir Hugo.« Er wandte sich wieder dem Admiral zu. »Ohne das Kastell ist diese Bucht wertlos, Sir.« Er hielt inne und beobachtete Broughtons Augen. »Und
mi
t
dem Kastell ist diese Bucht für uns genauso wertlos.«
»Was?« Broughton richtete sich steil im Sessel hoch, als hätte ihn etwas gestochen. »Das müssen Sir mir erst erklären!«
»Wenn wir das Fort tatsächlich nehmen, dann werden wir größte Schwierigkeiten haben, es als Operationsbasis zu halten, Sir. Früher oder später wird der Feind, speziell die französische Armee, irgendwo an der Küste Artillerie landen, und dann können unsere Schiffe den Ankerplatz nicht halten. Somit wären wir in derselben Situation wie die jetzigen Verteidiger: in diesen Steinkasten eingeschlossen und zu nichts anderem fähig, als andere Schiffe daran zu hindern, in dieser Bucht aus irgendwelchen Gründen Zuflucht zu suchen.«
Broughton stand auf und ging langsam zum Fenster. »Sie haben immer noch keine Alternative genannt.« Aber es klang nicht mehr so aggressiv.
Langsam sagte Bolitho: »Sie lautet: Nach Gibraltar zurückzusegeln. Dem Oberkommandierenden zu berichten, wie die Dinge wirklich liegen. Dann gibt er Ihnen bestimmt genügend Schiffe und Seesoldaten für einen zweiten Versuch, eine Basis zu erobern.« Er dachte, Broughton würde ihn anfahren, aber da das nicht der Fall war, sprach er mit fester Stimme weiter: »Eine günstiger gelegene Basis, von der aus unsere Flotte später in weiterem Umkreis operieren kann. Weiter nach Osten zu, wo wir noch Freunde haben, die bereit wären, sich gegen ihre neuen Unterdrücker zu erheben, wenn wir ihnen ausreichend helfen und sie ermutigen.«
»Djafou nützt uns nichts, wollen Sie sagen?« Darüber konnte Broughton anscheinend nicht hinwegkommen.
»Jawohl. Ich bin ganz sicher, daß die maßgebenden Männer in der Admiralität niemals auf diesen Vorschlag eingegangen wären, wenn sie über die tatsächlichen Ve rhältnisse genau Bescheid gewußt hätten.«
»Falls Sie das nicht wußten, Bolitho«, sagte Draffen scharf, »der Vorschlag kam von
mir
.«
Bolitho musterte ihn gelassen. Nach all der Unsicherheit und den fehlenden Stücken in diesem Puzzlespiel kam jetzt wenigstens
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