Der Stolz der Flotte
etwas ans Licht. Er entgegnete: »Dann sollten Sie lieber zugeben, daß dieser Vorschlag falsch war, Sir.« Stahlhart klang seine Stimme. »Ehe noch mehr von unseren Leuten dafür geopfert werden.«
Broughton fuhr dazwischen. »Sachte, Bolitho! Ich gestatte keine kleinlichen Streitereien unter meiner Flagge, verdammt noch mal!«
»Dann lassen Sie mich nur noch eins sagen, Sir.« Bolitho sprach ganz ruhig, obwohl er innerlich vor Zorn und Verzweiflung kochte.
»Wenn Sie nicht das Geschwader so plazieren, daß wir mehr Seeraum zum Kämpfen haben, dann geraten Sie unter Umständen auf Legerwall. Bei dem herrschenden Nordwest und ohne genug Raum, den Windvorteil wiederzugewinnen, sind Sie ernstlich gefährdet, wenn ein Feind hier auftaucht. Auf offener See können wir ihm immer eine blutige Nase verpassen, ganz gleich, wie das Kräfteverhältnis ist.«
Broughton erwiderte: »Sir Hugo hat bereits einen zweiten Plan vorgeschlagen.«
Draffen stieß sich von der Schottwand ab. Er lächelte, aber seine Augen waren eiskalt. »Sie sind zu lange auf den Beinen, Bolitho. Schade, daß mir das nicht früher aufgefallen ist. Ich habe da eine Idee, zwar vorerst nur ganz allgemeiner Natur, doch ich bin sicher, daß ich die Hilfe beschaffen kann, die wir so verzweifelt nötig brauchen.«
»Sir Hugo kann mit seinem Agenten, wie es scheint, irgendwo an der Küste Kontakt aufnehmen«, erläuterte Broughton müde.
»Genau.« Draffen wurde langsam lockerer. »Ich habe mit einem mächtigen Scheich geschäftlich zu tun gehabt. Dabei habe ich sogar persönlich mit ihm verhandelt. Habib Messadi hat an diesem Küstenstrich großen Einfluß und liebt die spanischen Invasoren gar nicht.«
Gelassen erwiderte Bolitho: »Aber wenn die spanische Garnison vertrieben wird, dann sind wir die Invasoren. Wo ist da der Unterschied für ihn?«
»Herrgott im Himmel, Bolitho«, fuhr Broughton ärgerlich dazwischen, »Ihnen kann man anscheinend überhaupt nichts recht machen!« Bolitho behielt Draffen im Auge. »Dieser Messadi ist, nehme ich an, eine Art Räuberhauptmann; sonst könnte er doch an so einer Küste nicht so viel Macht haben?«
Draffens Lächeln schwand. »Er ist nicht der Mann, den ich in Westminster Abbey frei herumlaufen lassen würde, das muß ich zugeben«, entgegnete er achselzuckend. »Aber um diese Mission erfolgreich auszuführen, würde ich auch Hilfe aus dem Zuchthaus von Newgate oder der Irrenanstalt von Bedlam akzeptieren, wenn sie uns nützen könnte.«
»Nun, Bolitho?« Mit deutlicher Ungeduld blickte Broughton von einem zum anderen.
Draffen sprach zuerst. »Wie ich schon gesagt habe, werden wir Djafou eines Tages aufgeben, wenn wir etwas Besseres haben, etwa entsprechend dem Vorschlag, den Sie Sir Lucius soeben gemacht haben. Messadi hat Djafou lange Jahre beherrscht und weder für die Franzosen noch für die Dons etwas übrig. Es wäre bestimmt besser, wenn wir ihn zum Verbündeten hätten: einen weiteren Dorn im Fleische des Feindes.«
»Genau meine Meinung«, warf Broughton ein.
Bolitho wandte sich ab. Ihm standen sofort die brüllenden Gestalten wieder vor Augen, die über das blutige Deck der
Navarr
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schwärmten, und die schreckverzerrten Gesichter der Mannschaft beim Anblick der Schebecken. Und jetzt wollte Broughton sich mit diesen Me nschen verbünden, bloß weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, mit leeren Händen nach Gibraltar zurückzukehren.
»Ich bin dagegen«, sagte er.
Broughton ließ sich in seinen Sessel sinken. »Ich habe große Achtung vor Ihrer dienstlichen Vergangenheit, Bolitho. Ich weiß, daß Sie ein loyaler Offizier sind, aber ich weiß auch, daß Sie oftmals von zu großem Idealismus geplagt werden. Keinen anderen Offizier meines Geschwaders möchte ich lieber als Flaggkapitän haben.« Sein Ton wurde härter. »Aber Insubordination dulde ich nicht. Und nötigenfalls lasse ich Sie ablösen.«
Ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam Bolitho, und widersprechende Gefühle rissen ihn hin und her. Einerseits verlangte es ihn, Broughton zu sagen, dann solle er ihn doch ablösen; andererseits konnte er die Vorstellung nicht ertragen, daß Fourneaux die geringen Reserven dieses Geschwaders kommandieren sollte.
»Meine Pflicht als Flaggkapitän ist es nicht nur, Ihren Befehlen zu gehorchen, Sir, sondern auch, Sie zu beraten.« Ihm war, als spräche er aus weiter Ferne.
Draffen strahlte. »Na also, meine Herren! Da sind wir uns ja endlich einig!«
»Was haben Sie also vor?« fragte Bolitho
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