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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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weg, ich habe ihn nicht wiedergesehen.«
    Bolitho blickte ihm forschend in das zu Tode erschöpfte Gesicht, in dem sich noch die Schrecken dieser Nacht, der Konfrontation mit blitzschnellem Tod, widerspiegelten. Wahrscheinlich waren es Berber gewesen, die wie Schakale lauerten, ob bei den Kämpfen zwischen Engländern und Spaniern etwas für sie abfiel.
    Calvert berichtete weiter: »Ich habe Lelean meilenwe it getragen.
    Manchmal versteckten wir uns im Buschwerk und hörten sie sprechen. Und lachen.« Seine Stimme brach, und er schluchzte: »Und die ganze Zeit sagte Lelean immer wieder, er wüßte ganz bestimmt, daß ich ihn
    in Sicherheit bringen würde.« Mit seine n verschleierten, blicklosen Augen sah er Bolitho wieder an. »Er hat sich auf mich verlassen!«
    Bolitho stand auf und goß Wein aus dem Krug in einen Becher. Er drückte ihn Calvert in die Hand und sagte leise: »Wo waren Sie, als die Marine-Infanterie Sie fand?«
    »In einer Felsenspalte.« Der Wein lief an seinem Kinn hinunter und auf das schmutzige Hemd. Wie Blut. »Lelean war schon tot. Die Ve rwundung mußte schlimmer gewesen sein, als ich dachte. Ich wollte ihn nicht einfach so liegen lassen. Er war der erste, der mir etwas zugetraut hat. Ich wußte… Ich dachte, kein Mensch würde mich suchen kommen. Da lief doch der Angriff… all das hier…«
    Bolitho nahm ihm das leere Glas aus den schlaffen Fingern. »Ruhen Sie sich aus. Morgen kommt Ihnen vielleicht alles ganz anders vor.« Die Augen dieses Mannes! Morgen? Es war ja schon morgen… Calvert riß sich zusammen. »Ich werde es Ihnen nie vergessen, daß Sie mich suchen ließen.« Doch da war es mit seiner Fassung auch schon vorbei. »Ich konnte ihn doch nicht einfach so liegenlassen. Er war doch bloß ein Kind…«
    Broughtons schneidender Kommentar »Wird ihm gut tun« klang Bolitho auf einmal in den Ohren, so deutlich, als ob er hier im Raum gesprochen würde. Nun – vielleicht hatte der Admiral schließlich doch recht gehabt.
    Ernst erwiderte er: »Viele gute Männer sind heute gefallen, Mr. Calvert. Es ist an uns, dafür zu sorgen, daß sie nicht umsonst gestorben sind.« Und nach einer kleinen Pause: »Und auch dafür, daß Leleans Vertrauen nicht enttäuscht wird.«
    Noch lange nachdem Calvert gegangen war, saß Bolitho zusammengesunken im Sessel. Was war mit ihm los, daß er Calvert auf solche Weise tröstete? Calvert war unbrauchbar und würde sich wahrscheinlich niemals ändern. Er kam aus einem sozialen Klima, dem Bolitho grundsätzlich mißtraute und gegen das er oft genug Abscheu empfunden hatte.
    War es wegen des toten Midshipman? Konnte er sich solche Empfindsamkeit leisten in einem Krieg, der alle Grenzen der Vernunft sprengte und alle traditionellen Gefühle beiseite ließ? Oder identifizierte er Lelean mit Adam Pascoe, seinem Neffen? Wäre es Calvert gegenüber fair gewesen, ihm obendrein Vorwürfe zu machen, daß er in seinem Versteck geblieben war, während er im tiefsten Innern genau wußte, er selbst hätte sich ebenso verhalten, wenn Adam da draußen tot in einer unbekannten Felsenspalte gelegen hätte?
    Als das erste Morgengrauen zögernd das Zimmer des Kommandeurs erhellte, saß Bolitho immer noch im Sessel, im Erschöpfungsschlummer dämmernd, ab und zu von neuen Zweifeln und Problemen aufgeschreckt.
    Bickford war bereits wach. Er stand oben auf dem mittleren Turm und spähte in den grauenden Morgen. Nach einer Weile konnte er es nicht länger aushallen und winkte einem in der Nähe stehenden Matrosen. »Na, ist es jetzt hell genug?« Der Leutnant grinste übers ganze Gesicht und konnte gar nicht aufhören zu grinsen – seinen Anteil an der Aktion hatte er geleistet, und er lebte noch. »Hiß die Flagge, Mann! Wenn die
Coquett
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das sieht, macht sie Männchen wie ein Hund!«
    Um Mittag stieg Bolitho auf den Hauptturm und betrachtete, über die Brustwehr gebeugt, den Betrieb in der Bucht. Gleich nach Sonnenaufgang war die
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,

gefolgt von Inchs
Hekla
,

durch den engen Kanal unterhalb der Festung gekommen, und eine Stunde später die angeschlagene, stark schrägliegende
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rra
.

Geschäftig pullten die Boote zwischen der Küste und den Schiffen, von den Außenposten der Marine -Infanterie auf der Landzunge und den Wachen auf dem Fahrdamm hin und her; man konnte leicht vergessen, wie öde und leer es noch am Vortag dort gewesen war.
    Er setzte das Teleskop an und suchte über dem vor Anker liegenden Bombenwerfer hinweg nach Leutnant Bickford, der mit

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