Der Stolz der Flotte
der Lage machen und stieg daher auf den Turm. Vor seinen Augen verschwand der westliche Landarm der Bucht langsam unter einem riesigen Wirbel aus Sand und Staub, so daß der Verbindungsdamm plötzlich im Leeren zu enden schien. Selbst in der Bucht dümpelten die Schiffe heftig, und Gillmor seufzte erleichtert auf, als er sah, daß sein Erster Offizier für alle Fälle einen zweiten Anker ausgeworfen hatte.
Doch die Sorge um die Sicherheit ihrer Schiffe, alle Zweifel und sogar der Schreck über Witrands gräßlichen Tod hatten sich in gespannte Erregung verwandelt, als Bolitho ihnen mitteilte, was er herausgefunden hatte.
Als Alava erst einmal zu sprechen begonnen hatte, schien er gar nicht mehr aufhören zu können. Es war, als sei die Bürde der Mitwisserschaft zu schwer für seine gebeugten Schultern, und der Schock über das, was in dem kleinen Korb lag, war der letzte Anstoß für ihn, die Verantwortung abzuwerfen.
Bolitho hatte seiner leisen, kultivierten Stimme mit starrer Aufmerksamkeit zugehört, die ihm sowohl als Schranke gegen sein Mitleid mit Witrand diente, als auch gegen seine Abscheu vor jenen, für die sein Tod nur ein Detail der psychologischen Kriegsführung war.
Jetzt, während der Wind gegen die dicken Mauern heulte und durch die ungeschützten Brustwehren fuhr, fiel es ihm immer noch schwer, sich einzugestehen, daß er mit seinem früheren Verdacht in vieler Hinsicht recht gehabt hatte. Witrand war schon einmal in Djafou gewesen, mit dem strikten Befehl, den Weg für weitere Entwicklungen freizumachen. Wieviel von Alavas Informationen auf Tatsachen und wieviel auf Spekulation beruhte, war schwer zu sagen. Eins war sicher: Witrand war nicht nur hiergewesen, um die Basis gegen jede zukünftige Aktivität der britischen Flotte im Mittelmeer abzuschirmen. Djafou sollte der erste einer Reihe Stützpunkte an der Küste Nordafrikas werden, ein Tor nach Osten und nach Westen. Truppen, Artillerie und die für Transport und Schutz nötigen Schiffe hätten es Frankreich ermöglicht, aufs neue mit Macht in einen Kontinent vorzustoßen, der ihnen bis jetzt verschlossen gewesen war, und das zu einer Zeit, da England es weniger denn je daran hindern konnte.
Und doch mußte Alava gewußt haben, daß Bolitho bluffte, wenn er damit drohte, Garnison und Passagiere den Berberpiraten preiszugeben. Er mußte mit dem Gedanken gespielt haben, seinen Standpunkt zu behaupten – bis zu dem Moment, als Giffard mit seinem furchtbaren Fund hereingeplatzt war. Genau im richtigen Moment; Bolitho selbst hätte es nicht besser arrangieren können.
Als er mit Gillmor und Inch sprach, hatte er sich an Broughtons Warnung, an sein Mißtrauen gegenüber Draffen erinnert. Was würde er sagen, wenn er den vollen Umfang von Draffens Verräterei – falls es das war – erfuhr? Draffen konnte ja ebenfalls tot sein oder sich schreiend unter der Folter krümmen.
Da jetzt der Wind endlich wieder aufgefrischt hatte, bestand ein Schimmer von Hoffnung. Von dem Moment an, als der Reiter Giffards Leuten den Korb vor die Füße geworfen hatte, war es klar, daß die Einnahme des Kastells an der ganzen Küste bekannt war. Das Geschwader war immer noch nicht da; der Himmel mochte wissen, wie weit es inzwischen bei dem auffrischenden Wind gekommen war; und somit konnte man durchaus mit einem massiven Angriff der Be rber auf das Kastell rechnen. Alava hatte erwähnt, daß Messadi mit seinen Piraten erhebliche Teile des Küstengebiets beherrschte und terrorisierte. Schebecken vom gleichen Typ wie die, welche die
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angegriffen hatten, konnten nötigenfalls sehr dicht unter der
Küste operieren, wo sie einen Angriff schwerer Kriegsschiffe nicht zu fürchten brauchten.
Messadis Nachrichtendienst mußte ebenso gut sein wie der Draffens, dachte Bolitho. Denn es war ganz klar, daß der Angriff auf die
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nicht auf einem zufälligen Treffen auf hoher See beruhte. Dafür waren die Schebecken viel zu weit ab vom Land gewesen, und wenn es nicht plötzlich Sturm gegeben hätte, wären es bestimmt noch mehr gewesen. In diesem Fall hätte die
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den Angriff nicht abschlagen können, und Witrand wäre mit den anderen an Ort und Stelle getötet worden; die Übernahme Djafous durch die Franzosen wäre so lange verzögert worden, bis seine ursprünglichen Eigner, die Berber, es wiedererobert hatten. Oder bis Broughton ihnen zuvorgekommen wäre und dann selbst gesehen hätte, daß die Bucht als britische Basis nicht zu gebrauchen
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