Der Stolz der Flotte
vermutlich wißt.«
»Aye, Sir. Aber wenn man so lange in solchem Elend gelebt hat, muß man eben was riskieren.«
Bolitho ging zur Tür. »Ich werde bei Sonnenuntergang zum Gasthof reiten. Wenn das stimmt, was Ihr mir gesagt habt, werde ich tun, was ich kann, um die Sache zu einem gerechten Abschluß zu bringen.«
Die Erleichterung in Taylors Zügen schwand jedoch, als Bolitho fortfuhr: »Andererseits, wenn das nur Verzögerungstaktik ist, damit ihr mehr Zeit habt, das Schiff in Feindeshand zu bringen, dann seid euch über die Konsequenzen klar. So etwas hat es früher schon gegeben, und die Schuldigen haben dafür büßen müssen.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Das war bisher jedesmal ein Ende am Strick.«
Der Mann tippte sich mit der Faust an die Stirn und eilte auf den Flur hinaus. Ferguson sah ihm mit offensichtlichem Mißfallen nach.
»Alles klar, Sir?« fragte er besorgt.
»Im Augenblick ja, danke.« Er zog seine Uhr. »Lassen Sie nach meiner Gig signalisieren.« Ferguson machte ein enttäuschtes Gesicht.
»Ich komme später noch einmal an Land, aber da ist noch verschiedenes zu erledigen.«
Eine Stunde später kletterte Bolitho durch die goldbronzierte Fallreepspforte an Bord und lüftete den Hut zum Trillern der Bootsmannsmaatenpfeifen und dem Stampfen des Musketen.
Keverne sah äußerst besorgt aus. »Der Schiffsarzt macht sich Sorgen um den Admiral, Sir«, berichtete er. »Es geht ihm sehr schlecht, und ich fürchte…«
Bolitho warf einen Blick auf Allday, dem die Neugier im Gesicht geschrieben stand, seit die Gig am Kai festgemacht hatte.
»Die Rudergasten sollen sich bereit halten, Allday. Ich werde sie bald wieder brauchen.« Damit ging er nach achtern und hinunter in die Admiralskajüte.
Der Admiral lag reglos in seiner Koje, noch kleiner und zerbrechlicher als sonst. Er hatte die Augen geschlossen. Hemd und Taschentuch waren blutbefleckt.
Bolitho sah den Schiffsarzt an, einen mageren, drahtigen Mann mit ungewöhnlich großen, haarigen Händen.
»Nun, Mr. Spargo?«
Der hob die Schultern. »Ich weiß nicht recht, Sir. Eigentlich müßte er an Land. Ich bin schließlich nur ein Schiffsarzt.« Wieder zuckte er die Achseln. »Aber die Anstrengung könnte gerade jetzt tödlich sein.« Bolitho nickte. Er hatte sich entschlossen. »Dann lassen Sie ihn hier, und passen Sie gut auf ihn auf.« Und zu Keverne: »Kommen Sie mit hinauf in meine Kajüte.«
Stumm ging Keverne hinter ihm her, bis sie in der großen Kajüte waren, die über die ganze Breite der Kampanje ging. Durch die offenen Heckfenster hatte man einen wunderbaren Blick auf St. Anthony’s Head. Es sah aus, als ob der Leuchtturm leise schwanke, denn das Schiff wiegte sich majestätisch im Tidenstrom.
»Ich gehe wieder an Land, Mr. Keverne.« Er mußte aufpassen, daß er den Ersten nicht mit in die Sache hineinzog; aber andererseits mußte er soweit informiert werden, daß er wußte, was er zu tun hatte, falls der Plan danebenging.
Kevernes Gesicht glich einer Maske. »Sir?«
Bolitho löste seinen Degen aus dem Gehänge und legte ihn auf den Tisch. »Von Vizeadmiral Broughton gibt es noch keine Nachricht.
Auch keine Anzeichen von Unruhen an Land. Captain Rooks Boote kommen längsseit, sobald unsere Leute gegessen haben, und dann können Sie mit der Übernahme von Vorräten weitermachen – den ganzen Nachmittag und bis in den Abend, wenn die See ruhig bleibt.«
Keverne wußte, daß noch etwas kommen würde, und wartete.
»Sir Charles ist sehr krank, wie Sie ja selbst gesehen haben.« Warum zeigte Keverne nicht ein bißchen Neugier, wie Herrick es getan hätte, als er noch sein Erster gewesen war. »Sie haben also das Kommando, bis ich zurück bin.«
»Wann wird das sein, Sir?«
»Weiß ich nicht. Spät in der Nacht vielleicht.«
Jetzt wurde Keverne endlich neugierig. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Sir?« Er machte eine Pause. »Wird es Ärger geben?«
»Nicht, wenn ich’s verhindern kann. Ich hinterlasse Ihnen schriftliche Order, nach der Sie handeln werden, falls ich länger als diese Nacht aufgehalten werde. Sie werden sie dann öffnen und Schritte –«, erhob die Hand –, »nein,
all
e
notwendige
n
Schritt
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unternehmen, um die Befehle unverzüglich auszuführen.« Er versuchte, sich über die Landkarte klarzuwerden, die er im Kopfe hatte. Die
Euryalu
s
würde mehr als zwei Stunden brauchen, um Anker zu lichten und die Veryan Bay zu erreichen; und dann würde der Anblick ihrer schweren Kanonen sehr bald
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