Der Stolz der Flotte
außer dämlich auch noch taub?« Broughton beugte sich über den Tisch und brüllte wie ein Stier: »Raus, habe ich gesagt!«
Als die Tür hinter dem armen Calvert ins Schloß fiel, wartete Bolitho darauf, daß Broughton jetzt seine Wut an ihm auslassen würde. Es sah aus, als hätte er sie gerade noch bis zu diesem Moment zurückhalten können, um sie dann mit ganzer Schärfe auf Bolitho abzuschießen. Überraschenderweise sprach der Admiral jedoch mit fast normaler Stimme . »Bei Gott, Bolitho, ich bin froh, daß Sie so pünktlich zurück sind«, sagte er und deutete auf ein offenes Kuvert auf dem Tisch. »Endlich die Segelorder. Dieser Esel von Calvert hat sie aus London mitgebracht.«
Bolitho wartete einen Moment, damit Broughton sich weiter beruhigen konnte. Dann sagte er: »Ich hätte Ihnen einen Flaggleutnant vom Geschwader abstellen können, wenn Sie einen brauchen, Sir…« Broughton warf ihm einen kalten Blick zu. »Ach, hol ihn der Te ufel! Sein Vater hat mir vor ein paar Jahren mal einen Gefallen getan, und ich habe ihm versprochen, ihm seinen Narren von Sohn abzunehmen, damit er von London wegkommt.« Er brach ab und spähte mit schiefem Kopf zum Oberlicht empor, als horche er auf etwas.
Dann fuhr er fort: »Sie haben zweifellos das Neueste gehört.« Tief und zornig atmete er ein. »Dieses elende, verräterische Gesindel hatte die Frechheit zu meutern, wie? Die ganze Nore-Flotte brennt vor…« Er suchte vergeblich nach dem passenden Wort und schloß: »Da haben Sie Ihre Humanität. Einbildung nenne ich das, wenn Sie auch nur eine Minute glauben, daß dieses Pack Verständnis für Nachsicht hat!«
»Mit allem Respekt, Sir«, warf Bolitho ein, »zwischen der
Auriga
und den Unruhen in der Nore besteht kein Zusammenhang.«
»So, meinen Sie?« Broughtons Stimme war jetzt wieder ganz ruhig. Zu ruhig. »Ich kann Ihnen versichern, Captain Bolitho, daß ich bereits in Spithead genügend Verräterei erlebt habe, wo ein Haufen kriechender, schleimiger, lügender Bastarde mein eigenes Flaggschiff in seine Gewalt brachte. Diese Demütigung, diese Schande hängt mir jetzt noch an wie Latrinengestank.«
Ein diskretes Klopfen an der Tür, Hauptmann Giffard von der Marine-Infanterie steckte den Kopf herein und meldete: »Alles bereit, Sir.« Unter Broughtons wütendem Blick verschwand er eiligst.
»Darf ich fragen, was hier vorgeht, Sir?« fragte Bolitho.
»Sie dürfen.« Broughton nahm seinen Rock vom Stuhl auf. Sein Gesicht war schweißnaß. »Ihretwegen habe ich gegen meine Überze ugung gehandelt. Ihretwegen habe ich die Meuterer der
Auri
g
a
frei und ohne Gerichtsverfahren ausgehen lassen.« Mit wutblitzenden Augen fuhr er herum. »Wegen Ihnen und Ihren verdammten Versprechungen, zu denen Sie weder die Autorität noch das Recht hatten – muß ich diese Kerls ungeschoren lassen, nur um Ihr Ansehen als Flaggkapitän nicht in Frage zu stellen!« Er war ins Schreien geraten, und Bolitho konnte sich vorstellen, wie die anderen Kommandanten jenseits der Tür ihn entweder bemitleideten oder sich freuten, daß ein Vorgesetzter auch nicht besser behandelt wurde als sie selbst. Bolitho kannte sie noch nicht genug, um das entscheiden zu können. Er wußte nur, daß ihn diese plötzliche Attacke des Admirals erzürnte und verbitterte.
Fest und bestimmt erwiderte er: »Es war
mein
e
Aufgabe, Sir. Kein anderer war zu der Zeit verfügbar, und so…«
»Unterbrechen Sie mich nicht, Bolitho!« brüllte der Admiral. »Bei Gott, es wäre besser gewesen, wenn Sie die
Aurig
a
angegriffen und in Stücke geschossen hätten. Wenn in der Nore solche Offiziere wie Sie dienen, dann mag der Himmel England helfen!« Er griff nach seinem Degen und hängte ihn ein. »Na, wir werden ja sehen, wie es in
diesem
Geschwader mit Meuterei geht!«
Nur mit Mühe konnte Bolitho sich beherrschen. »Tut mir leid, Sir, daß Sie meine Entscheidung nicht akzeptieren wollen.«
»Entscheidung?« Broughton starrte ihn wütend an. »Kapitulation nenne ich das!« Mit verächtlichem Achselzucken griff er nach seinem Hut. »Ich kann ein Unrecht nicht wieder zu Recht machen, aber, beim Himmel, ich werde denen zeigen, daß es auf meinen Schiffen keine Insubordination gibt!«
Er riß die Tür auf und stampfte in die große Kajüte. »Nehmen Sie Platz, Gentlemen.« Er setzte sich in den Mittelstuhl und bedeutete Bolitho, sich neben ihn zu setzen. »Nun, Gentlemen, ich habe dieses Standgericht einberufen auf Grund des mir übertragenen Oberbefehls, der
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