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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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selbst und nicht Taylor verurteilt worden.
    Broughton erhob sich und sagte kurz: »Begeben Sie sich wieder auf Ihre Schiffe, meine Herren, und lesen Sie die neuen allgemeinen Dienstbefehle, die Mr. Calvert Ihnen aushändigen wird. Der Strafvollzug findet morgen früh um acht Glasen statt. Normale Prozedur. «
    Als sie einzeln hinter Calvert hinausgegangen waren, fragte Bolitho leise: »Warum, Sir? Im Namen des Allmächtigen, warum?«
    Mit ausdruckslosen Augen sah Broughton an ihm vorbei. »Weil ich es befehle.«
    Ganz betäubt von Broughtons so unerwartet brutalem Urteil nahm Bolitho seinen Hut.
    »Noch weitere Befehle, Sir?« Er wußte selbst nicht, wie er es schaffte, so dienstlich unbewegt zu sprechen.
    »Ja. Übermitteln Sie Captain Brice meine Order, das Kommando über die
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wieder zu übernehmen.« Sekundenlang sah er Bolitho ins Gesicht. »Ich habe die Verantwortung. Und die Verfügungsgewalt.«
    Bolitho hielt seinem Blick stand und erwiderte: »Wenn Taylor eine regelrechte Kriegsgerichtsverhandlung bekommen hätte, Sir…« Er hielt inne, denn er merkte, daß er in die Falle gegangen war.
    Broughton lächelte freundlich. »Ein reguläres Kriegsgericht hätte ihn gehängt, das wissen Sie genau. Aber es hätte so lange gedauert, daß es kein abschreckendes Beispiel mehr gewesen wäre, und Milde wäre sinnlos. Wie die Dinge jetzt liegen, wird Taylors Bestrafung diesem Geschwader eine Warnung und ein abschreckendes Beispiel sein, und das haben wir verdammt nötig. Vielleicht überlebt er es ja auch, und dann hat er von der Tatsache profitiert, daß seine persönliche Rädelsführerschaft nur kurze Zeit gedauert hat; dann kann er sich bei Ihnen dafür bedanken.«
    Als Bolitho sich zum Gehen wandte, sagte er noch: »Dienstbesprechung hier an Bord gleich nach Ende des Strafvollzugs. Geben Sie Signal an alle Kommandanten: ›Melden an Bord des Flaggschiffes um…‹« Er zog seine Uhr. »… aber das kann ich wohl Ihnen überlassen. Ich bin bei einem der hiesigen Ratsherren zum Dinner eingeladen. Ein Mann namens Roxby. Kennen Sie ihn?«
    »Mein Schwager, Sir.« Bolithos Gesicht war steinern.
    »Tatsächlich?« Broughton ging zu seiner Schlafkajüte. »Ihre Familie sitzt anscheinend überall.« Damit warf er die Tür ins Schloß.
    Wie ein Blinder ging Bolitho zum Achterdeck. Schon fielen die Schatten schräger, denn die sinkende Sonne berührte bereits den Arm der Bucht. Ein paar Matrosen lungerten auf den Decksgängen herum, und vom Vorschiff klangen die kläglichen Töne einer Fiedel. Der Wachoffizier ging auf die andere Seite hinüber, damit Bolitho seine gewohnte Ruhe hatte, und von den Bootsblöcken ertönte das schrille Lachen zweier Midshipmen, die einander um die Wanten des Großmastes jagten. Bolitho stützte die Hände auf das Schanzkleid und starrte ohne zu blinzeln in die feurige Sonne. Nach Auf- und Abgehen war ihm jetzt nicht zumute, und wohin er auch sah, sah er immer Taylors Gesicht, seine rührende Dankbarkeit für die zwei Dutzend Hiebe, die sich in furchtbaren Schrecken verwandelte, als er das ganze Urteil hörte. Jetzt war er unter Deck, hörte das Lachen der Midshipmen und das klagende Lied des Fiedlers. Vielleicht spielte er seinetwegen etwas so Melancholisches. In diesem Fall war Broughtons grausame Abschreckung bereits umsonst, dachte er bitter.
    Sein Blick glitt zur
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hinüber, die sanft an ihrem Kabel schwojte. Manche mochten sagen, mit Taylor werde ein Mann für viele geopfert. Hätte Bolitho nicht eingegriffen, so wäre jeder einzelne Meuterer gepeitscht oder noch schlimmer bestraft worden, oder aber das Schiff wäre tatsächlich in Feindeshand gefallen.
    Aber andere mochten dagegen einwenden: wie es auch ausgegangen wäre, Gerechtigkeit in der Flotte sei nicht durch das Auspeitschen einzelner Sündenböcke zu erreichen. So ein Sündenbock war Taylor – Bolitho wußte es und schämte sich deswegen.
    Mit leeren Augen starrte Bolitho durch das große Heckfenster seiner Kajüte, als Allday eintrat und meldete: »Alles klar, Captain.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er den alten Degen vom Halter an der Schottwand, drehte ihn in den Händen und rieb den altersgeschwärzten Griff an seinem Jackenärmel. Dann sagte er gelassen: »Sie haben Ihr Bestes getan, Captain. Es hat keinen Zweck, sich Vo rwürfe zu machen.«
    Bolitho hob die Arme, damit sein Bootsführer ihm den Degen umschnallen konnte, und ließ sie dann fallen. Durch die dicken Glasfenster sah er die ferne Stadt leise

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