Der Stolz der Flotte
beinahe alle Mühe und Ängste des Aufenterns wert gewesen. Weit hinten im Süden erstreckte sich die lange ungleichmäßige Linie eines fernen Gebirgszuges, eisblau im harten Sonnenlicht, vom Flachland durch einen Streifen Bodennebel getrennt, in fremdartiger Schönheit: die Küste von Afrika. Die Berge waren schätzungsweise dreißig Meilen entfernt, und doch schienen sie unerreichbar wie eine Fata Morgana.
Aber dann war es auf einmal wieder mit der Landsicht vorbei, und überall tanzten und glitzerten Millionen blendender Reflexe auf der See, so daß die Matrosen auf den Rahen sich festhalten und mühsam jede unverhoffte Bewegung des Schiffes ausbalancieren mußten, denn die Sonne blendete so stark, daß sie sich auf ihre Augen nicht mehr verlassen konnten.
Das Geschwader hatte sich mehr und mehr zerstreut und fuhr jetzt
in weit auseinandergezogener Linie, so daß die
Tanai
s
gut zwei Meilen voraus lag.
Broughton hatte eingeräumt, daß es praktischer sei, die Formation auseinanderzuziehen, damit sie von irgendeinem kleinen Fahrzeug, auf dem sich Draffens Agent befand, besser gesichtet werden konnten. Und falls ein Feind aufkreuzte, war es gut, wenn das Geschwader möglichst groß wirkte. Weit draußen in Lee schimmerten wie brünierter Stahl die Marssegel der Korvette, die geschäftig, einem nach Kaninchen schnüffelnden Terrier gleich, vorm Winde dahinflog.
Von der
Coquett
e
war immer noch nichts zu sehen; das würde auch noch einige Zeit dauern. Vielleicht war sie weit achteraus hinter einem fremden Segel her. Ebensogut konnte sie aber auch ernsthafte Feindberührung bekommen haben.
Calvert erschien auf dem Achterdeck. Im hellen Sonnenlicht wirkte sein Gesicht noch bekümmerter, angestrengter als sonst.
»Kompliment von Sir Lucius«, meldete er, »und Sie möchten zu ihm in die Tageskajüte kommen, Sir.«
Keverne verzog den Mund und fragte: »Vielleicht ein Planänderung, Sir?«
Ohne zu antworten schritt Bolitho hinter Calvert her. Ob Keverne wohl beleidigt war, weil er so wenig wußte? Aber er, der Kommandant, wußte auch nicht viel mehr. Als er in die Kajüte trat, dauerte es ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an den schattigen Raum gewöhnt hatten und an die vergleichsweise Kühle im Gegensatz zum ungeschützten Achterdeck. Bolitho hatte zwar nicht bemerkt, daß Draffen die Kampanje überhaupt verlassen hatte, aber er saß neben dem Schreibtisch.
»Sir?« Broughton stand an einem der offenen Heckfenster, sein hellbraunes Haar glänzte im Widerschein der Sonne. Weit achteraus lag die
Valorou
s
auf Kurs; sie sah aus wie ein winziges Schiffsmodell, das auf der Epaulette des Admirals balancierte.
»Ich habe Sie heruntergebeten«, sagte Broughton unwirsch, »damit Sie Sir Hugo klarmachen, daß die
Restles
s
in Signaldistanz zum Ve rband bleiben muß.« Er atmete heftig aus. »Also?«
Bolitho legte die Hände auf den Rücken. In Gegenwart der beiden wie immer tadellos gekleideten Herren kam er sich auf einmal ungekämmt und schmutzig vor. Er merkte, daß zwischen ihnen Spannung herrschte; vermutlich hatten sie sich gestritten.
Draffen blieb unbeeindruckt. »Ich muß meinen Agenten finden, Captain. Die Korvette ist klein und schnell genug für diesen Zweck.«
Er zuckte die Achseln. »Das ist doch einzusehen, nicht wahr?«
Bolitho wurde mißtrauisch. Beide zerrten an ihm, jeder wollte ihn auf seine Seite bringen. Noch nie hatte Broughton ihn in strategischen Angelegenheiten um seine Meinung befragt. Und Draffen schlug zwar seit ihrer damaligen Unterhaltung immer einen leichten, vertraulichen Ton an, hatte jedoch über seine eigentlichen Absichten kaum etwas verlauten lassen.
»Darf ich fragen, Sir Hugo, was das für ein Schiff ist, mit dem wir zusammentreffen sollen?«
Draffen wand sich verlegen im Sessel. »Oh, irgend etwas Kleines. Wahrscheinlich eine arabische Dhau oder so.« Das klang unbestimmt und ausweichend.
Bolitho gab nicht nach. »Und wenn wir sie verfehlen – was dann?« Der Admiral am Fenster wandte sich um und fuhr brüsk dazwischen: »Soll ich vielleicht noch eine Woche mit dem Geschwader hin und her kreuzen?« Wütend starrte er Draffen an. »Noch eine Woche, in der wir den offenen Kampf vermeiden und ständig Kurs ändern müssen?«
Draffen blieb unbewegt. »Weiß ich alles, Sir Lucius. Aber diese Sache erfordert sehr viel Takt und Vorsicht. Und außerdem«, schloß er in schärferem Ton, »eine sehr exakte Schiffsführung.«
Bolitho trat einen Schritt vor. »Ich
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