Der Stolz der Flotte
Augenblick verhielt und zurückwinkte.
»Ich würde jetzt gern einen Schlag nach Nordost machen, Sir. Das spart Zeit, wenn wir uns nachher wieder dem Geschwader anschließen«, sagte er.
Broughton wandte der Korvette, die sich mit gefüllten Segeln in rascher Fahrt davonmachte, den Rücken zu. »Bitte, wie Sie meinen«, stimmte er zu und sah Bolitho prüfend ins Gesicht. »Sie können es wohl nicht erwarten, Ihren Platz in der Formation wieder einzunehmen?« Er lächelte ironisch. »Nun, es wird Fourneaux nichts schaden, wenn er noch ein bißchen länger Admiral spielen kann.«
Bolitho ging zu Keverne hinüber, der noch immer der Korvette nachsah. »Wir gehen hart an den Wind über Steuerbordbug, Mr. Keverne, Kurs Nordost. Lassen Sie also noch mal ›Alle Mann‹ pfeifen. Nachher können sie Essen fassen. Appetit werden sie ja inzwischen bekommen haben.« Eben spähte der wüst aussehende Oberkoch, ein
bärtiger Riese, aus der Kombüse. »Allerdings schaudert es mich bei dem Gedanken, was dieser Kerl manchmal zusammenschmort.«
Dann ging er wieder nach Luv hinüber, und die Matrosen schwärmten nochmals in die Wanten und auf die langen Rahen hinaus. Broughton verstand ihn besser als er wußte: Unabhängigkeit und Eigeninitiative, so hatte ihn sein Vater gelehrt, waren die beiden kostbarsten Besitztümer für jeden Kommandanten. Jetzt, da er ein Flaggschiff kommandierte und ans Geschwader gebunden war, begriff er erst richtig, wie er das gemeint hatte.
Plötzlich fiel ihm sein Haus in Falmouth ein und die beiden Porträts, die einander gegenüberhingen. Er empfand eine gewisse Rührung, weil er ohne Kummer und Bitterkeit daran denken konnte. Es war fast, als hätte er jemanden dort, der auf seine Rückkehr wartete.
Unbewegten Gesichts kam Keverne wieder. »Zwei Mann stehen heute nachmittag zur Bestrafung an, Sir.«
»Was?« Bolitho fuhr auf und starrte den Leutnant an. »Ach so. Ja, ist gut.«
Der kurze Augenblick des Friedens war vorbei. Doch als er zur Achterdeckreling ging, wünschte er sich heiß und innig, er möge wi ederkehren.
Um sechs Uhr desselben Tages saß Bolitho an seinem Schreibtisch und sah durch das Heckfenster, den Kopf voller Gedanken. Trute, der Kajütsteward, stellte ihm einen Topf frischgebrühten Kaffee hin und trat wortlos wieder ab. Er hatte sich an die Launen seines Kommandanten gewöhnt, der anscheinend unbedingt allein sein wollte, auch wenn er sich seinen Kaffee selbst eingießen mußte. Auch daß sein Schreibtisch nach achtern blicken mußte, und daß er, wenn irgend möglich, lieber dort aß als an seinem schönen Eßtisch in der Nebenkajüte. Trute hatte bisher drei Kommandanten betreut, aber so einer war nicht darunter gewesen. Alle drei hatten hinten und vorn, zu jeder Tages- und Nachtzeit, bedient werden wollen. Alle drei konnten sehr schnell sehr unangenehm werden, wenn etwas nicht nach Wunsch ging. Aber sosehr er Bolitho als gerechten und rücksichtsvollen Vo rgesetzten schätzte, hatte er sich doch bei seinen Vorgängern wohler gefühlt. Wenigstens hatte er bei denen die meiste Zeit gewußt, was sie gerade dachten.
Bolitho nippte an dem glühendheißen Kaffee. Auch der würde eines Tages, wie so manches andere, ein Luxusartikel werden. Man wußte nie genau, wann ein Schiff in bezug auf Lebensmittel und Trinkwasser die Sicherheitsgrenze überschritt.
Vier Glasen wurden angeschlagen; irgendwo hörte er eilige Schritte poltern, vielleicht war es ein Deckoffizier, der eingeduselt war und jetzt rennen mußte, um rechtzeitig für die zweite Hundewache abzulösen.
Bolitho hatte den Nachmittag über viel zu tun gehabt, und zwar hauptsächlich in Angelegenheiten seines eigenen Schiffes, nicht des Geschwaders. Es hatte sich viel angesammelt. Eine endlose Prozession von Leuten wartete, die alle etwas von ihm wollten.
Grubb, der Schiffszimmermann, grauhaarig, immer argwöhnisch und pessimistisch auf der Jagd nach dem Erzfeind aller Schiffe, der Fäule. Nicht daß er bei seinen täglichen maulwurfsgleichen Streifzügen durch die Eingeweide des Rumpfes, die er nie anders gesehen hatte oder sehen würde als bei Laternenlicht, etwas gefunden hätte.
Er wollte wohl nur Bolitho vor Augen führen, wie unermüdlich er um das Schiff besorgt war.
Ein paar Minuten hatte er Clove, dem Küfer, gewidmet, weil sich der Zahlmeister vor einiger Zeit über den Zustand mehrerer Wasserfässer beklagt hatte. Aber Zahlmeister Nathan Buddle beklagte sich oft und gern, wenn es sich um Dinge handelte,
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