Der stolze Orinoco
die das nöthigste Gepäck trugen, begleiteten die Reisenden. Wenn sich Parchal im Falle eines Angriffs, entweder durch Eingeborne oder bei einem Ueberfalle durch Alfaniz, nicht genügend vertheidigen könnte, sollte er das Lager aufgeben und so schnell wie möglich die Mission von Santa-Juana zu erreichen suchen.
Es war übrigens kaum zweifelhaft – und Jacques Helloch fühlte sich davon völlig überzeugt – daß die Mission in der Lage sein werde, sich der Quivas, die jetzt diesen Theil des Gebietes Venezuelas unsicher machten, mit Erfolg zu erwehren.
In dieser Hinsicht – er hatte sich mit Valdez darüber ausgesprochen – konnte er sich mit Recht sagen, daß die besseren Aussichten die schlechteren überwogen. Auf dem Wege durch die Waldmassen der Sierra Parima drohte die schlimmste Gefahr nur durch ein Zusammentreffen mit der Alfaniz’schen Räuberbande. Nach der Versicherung Gomos und nach dem, was dessen Vater Jorres geantwortet hatte, war diese Rotte in der Nachbarschaft der Sierra bisher noch nicht aufgetaucht. Wenn er sich nach Norden zu wendete, wollte der Spanier zwar jedenfalls Alfaniz aufsuchen, dessen Bagnogenosse er gewesen sein mochte – eine Annahme, die ja viel Berechtigung zu haben schien. Doch wenn die Quivas nicht fern waren, war es die Mission ja auch nicht – höchstens fünfzig Kilometer. Die Zurücklegung von fünfundzwanzig Kilometern in vierundzwanzig Stunden angenommen, mußten Fußgänger binnen zwei, höchstens zweieinhalb Tagen jenes Ziel erreichen. Wenn die Gesellschaft also am 30. October vormittags aufgebrochen war, konnte man wohl glauben, daß sie, so lange schlechte Witterung keine Verzögerungen herbeiführte, am 1. November im Laufe des Nachmittags in Santa-Juana eintreffen würde.
Bei einigem Glück hoffte der kleine Trupp auch die Wanderung ohne ein gefahrdrohendes Zusammentreffen mit dem gefürchteten Raubgesindel zu vollenden.
Das »Detachement« bestand aus acht Personen. Jacques Helloch und Valdez marschierten an der Spitze, hinter ihnen Jean und Gomo in der von dem jungen Indianer bezeichneten Richtung hin. Hinter diesen kam Germain Paterne mit dem Sergeanten Martial und zum Schluß die beiden Leute von der »Gallinetta« mit dem auf das Nöthigste beschränkten Gepäck, das aus Decken für das Nachtlager, aus conserviertem Fleisch und einem genügenden Vorrath an Maniocmehl bestand, während sonst jeder seine Flasche mit Aguardiente oder Tafia selbst trug.
Inmitten des wildreichen Urwaldes hätte die Jagd gewiß hingereicht, die für die Reisenden erforderlichen Nahrungsmittel zu liefern. Dagegen hielt man es für richtiger, sich möglichst still zu verhalten und seine Gegenwart nicht durch Flintenschüsse zu verrathen. Ließen sich einzelne Wasser-oder Bisamschweine anders als mit Hilfe einer Kugel erlegen, so würden sie willkommen sein. Die Echos der Sierra sollten also keinen einzigen Gewehrschuß wiedergeben.
Selbstverständlich waren aber Jacques Helloch, der Sergeant Martial und Valdez mit ihren Gewehren nebst hinreichendem Schießbedarf und außerdem mit Revolvern und einer Art Jagdmesser ausgerüstet. Germain Paterne hatte ebenfalls seine Flinte mitgenommen, doch auch die Botanisiertrommel, von der er sich eben niemals trennte, nicht vergessen.
Die Witterung erwies sich für eine Fußreise recht geeignet, von drohendem Regen oder Gewitter zeigte sich keine Spur. Hoch hinziehende Wolken milderten die Hitze der Sonnenstrahlen. Eine frische Brise wehte über die Baumwipfel und drang auch unter die Aeste hinunter, so daß viele dürre Blätter aufgewirbelt wurden. Der Erdboden stieg nach Nordosten zu mäßig an. War die Savanne nicht durch eine steilere Niederung unterbrochen, so konnten sich hier auch keine Sumpfstrecken finden, keine jener wasserdurchtränkten Esteros, die man sonst so häufig in den Niederungen der Ilanos antrifft.
Immerhin sollte es den Reisenden auf ihrer Wanderung an Wasser nicht fehlen.
Nach Aussage Gomos verlief der Rio Torrida von seiner Mündung am Orinoco aus in der Richtung nach Santa-Juana. Es war das ein nicht schiffbarer Gebirgsfluß, der, oft von riesigen Felsblöcken besäet, für Falcas und selbst für Curiares ganz unfahrbar gewesen wäre. In launenhaftem Zickzack schlängelte er sich durch den Wald, und die kleine Truppe folgte jetzt seinem rechten Ufer.
Unter Führung des jungen Indianers drang man – die verlassene Strohhütte blieb links vom Wege liegen – nach Nordosten vorwärts, um das Gebiet der Sierra
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