Der stolze Orinoco
gottgefälligen Werke der äußern Mission zu weihen.
Schon immer lebte in ihm neben der des Soldaten die Seele des Apostels. Der Officier war ganz dazu vorbereitet, sich in den Priester, den streitbaren Priester zu verwandeln, der sich der Bekehrung oder, mit andern Worten, der Civilisierung wilder Volksstämme widmet.
Heimlich verließ der Oberst von Kermor, ohne irgend jemand, nicht einmal den Sergeanten Martial, in seine Pläne eingeweiht zu haben, das französische Vaterland im Jahre 1875 und begab sich nach Venezuela, wo so viele Indianerstämme, in Unwissenheit dahinlebend, dem leiblichen und geistigen Verfall entgegengingen.
Als er in diesem Lande seine kirchlichen Studien beendet hatte, erhielt er die Ordination als Priester und trat in die Gesellschaft für äußere Mission unter dem Namen Pater Esperante ein, der sein Incognito in der neuen Lebensbahn schützen sollte.
Seine Entlassung als Officier erfolgte im Jahre 1873 und seine Ordination 1878, als er neunundvierzig Jahre zählte.
In Caracas war es, wo sich der Pater Esperante dafür entschied, seinen Aufenthalt in den fast unbekannten Gebieten des südlichen Venezuela zu wählen, wohin Missionäre nur sehr selten vordrangen. Eine ganze Menge eingeborner Stämme hatten wohl noch nie etwas von der veredelnden Lehre des Christenthums gehört oder waren wenigstens trotzdem Wilde geblieben wie vorher. Diese aufzusuchen bis zu den Landstrichen, die schon an Brasilien grenzten, das war die Aufgabe, zu der sich der französische Missionär berufen fühlte, und ohne daß jemand von seinem frühern Beruf das Geringste ahnte, brach er zu Anfang des Jahres 1879 dahin auf.
Seine strömenden Freudenthränen glichen einer Taufe. (S. 395.)
Nachdem er den Mittellauf des Orinoco hinausgefahren war, kam der Pater Esperante, der nun das Spanische wie seine Muttersprache beherrschte, nach San-Fernando, wo er sich einige Monate aufhielt. Von diesem Orte aus richtete er einen Brief an einen seiner Freunde, einen Notar in Nantes. Diesen Brief – den letzten, den er mit seinem wahren Namen unterzeichnete und der nur die Ordnung einer Familienangelegenheit betraf – bat er den Empfänger geheim zu halten.
Hier muß daran erinnert werden, daß dieser in den hinterlassenen Papieren des Notars vorgefundene Brief dem Sergeanten Martial erst 1891, als Jeanne schon fast sechs Jahre bei ihm lebte, in die Hand gekommen war.
Dank seinen persönlichen Hilfsmitteln konnte sich der Pater Esperante in San-Fernando Alles beschaffen, was ihm zur Errichtung einer Station jenseits der Quellen des Stromes nöthig war. In demselben Orte nahm er auch den Bruder Angelos in seine Dienste, der, schon vertraut mit den Sitten der Indianer, sich ihm ebenso nützlich, wie für die edle Aufgabe begeistert erweisen sollte.
Der Bruder Angelos lenkte die Aufmerksamkeit des Pater Esperante auf die Guaharibos, die zum größten Theile an den Ufern des obern Orinoco und in der Nachbarschaft der Sierra Parima umherzogen. Grade diese Indianer zu bekehren, war eine That warmen Mitgefühls, denn man zählte sie zu den verwildertsten Eingebornen Venezuelas. Die Guaharibos standen ja, wie erwähnt, in dem Rufe von Räubern, Mördern und Menschenfressern, ein Leumund, den sie wenigstens in diesem Grade keineswegs verdienten.
»Reizend als junger Mann und reizend als junges Mädchen!« (S. 400.)
Das war aber nicht dazu angethan, einen so entschlossenen Mann wie den ehemaligen Oberst von Kermor zurückzuschrecken, und er blieb bei dem Vorsatze, eine Mission im Norden des Roraima zu begründen und die Eingebornen der Umgegend um sich zu sammeln.
Der Pater Esperante und der Bruder Angelos verließen San-Fernando in zwei Piroguen, die mit allem für ihre erste Einrichtung unentbehrlichen Material beladen waren. Das Weitere sollte je nach Bedarf zur kleinen Colonie nachgesendet werden. Die Falcas segelten also den Strom hinauf, legten dabei bei den bedeutenderen Ortschaften und den Ranchos am Ufer an und erreichten glücklich den Rio Torrida im Gebiete der Guaharibos.
Nach vielen fruchtlosen Versuchen, zwecklosen Bemühungen und mancherlei Fährlichkeiten gelang es dem Pater Esperante durch seine Güte und Hochherzigkeit doch schließlich, die Indianer zu sich heranzuziehen. Auf der Landkarte gab das bald ein neues Dorf, dem der Missionär den Namen Santa-Juana beilegte… Juana, den Namen, der der seines Töchterchens gewesen war.
So vergingen vierzehn Jahre. Die Mission blühte empor –
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