Der stolze Orinoco
Hirsch und das Bisamschwein, deren Erlegung keiner Beschränkung unterlag, im Stiche lassen. Die Schiffsleute, die inzwischen ebenfalls herbeigelaufen waren, ergriffen die Jagdbeute und Alle zogen sich eiligst nach den Piroguen zurück.
Mit wüthenden Geberden folgten ihnen die Insassen des Dorfes. Der Capitan suchte sie gar nicht mehr zu besänftigen… im Gegentheil, er marschierte jetzt, seinen Bogen schwingend, an ihrer Spitze, und die Aufregung der Eingebornen erreichte ihren Gipfel, als der von vier Mann auf einer Tragbahre herbeigeschaffte Tapir sichtbar wurde.
Im gleichen Augenblick waren die Passagiere auf ihren Falcas angelangt, wo das Dach der Deckhäuser sie gegen die Pfeile der noch nicht mit Feuerwaffen ausgerüsteten Indianer schützen mußte.
Jacques Helloch brachte Jean eiligst in der »Gallinetta« in Sicherheit, ehe noch der Sergeant Martial sich dieser Verpflichtung erledigen konnte, und empfahl ihm, sich unter dem Deckhause zu halten. Dann kletterte er, und Germain Paterne mit ihm, schleunigst nach der »Moriche« hinüber.
Die Herren Miguel, Felipe und Varinas hatten schon auf der »Maripare« Schutz gefunden.
Die Mannschaften eilten auf ihren Posten und trafen Anstalt, nach der Strommitte zu fahren.
Die Haltetaue waren eben losgeworfen, als ein Hagel von Pfeilen auf die Piroguen niederprasselte, die mittelst der Palaucas fortgestoßen wurden, um aus dem Wirbel zu kommen, der sich an der Rückseite der Landspitze befand. Ehe die regelmäßige Strömung erreicht wurde, ging die Bewegung der Fahrzeuge deshalb recht langsam vor sich, und sie mußten noch eine zweite Salve der am Ufer stehenden Eingebornen über sich ergehen lassen.
Die erste hatte niemand verletzt. Die meisten Pfeile flatterten über die Fahrzeuge hinaus und nur vereinzelte bohrten sich in das Dach der Deckhäuser ein.
Da sie nun ihre Gewehre wieder geladen hatten, begaben sich Herr Miguel und seine Collegen, Jacques Helloch, Germain Paterne und der Sergeant Martial theils nach dem Vorder-und theils nach dem Hintertheile der Piroguen hinaus.
Jetzt knatterten fünf Schüsse, denen nach ganz kurzer Zeit fünf andre folgten.
Sieben bis acht Eingeborne stürzten mehr oder weniger verletzt zur Erde und zwei von den Piaroas, die dabei den Uferabhang hinunter kollerten, verschwanden im Wasser des kleinen Hafens.
Mehr bedurfte es nicht, um die bestürzte Bevölkerung zum Rückzug zu bringen, der bald in eine wilde Flucht ausartete, welche sich unter Geschrei und Geheul bis nach Augustino fortsetzte.
Jetzt außer Gefahr, weiter belästigt zu werden, segelten die Falcas um die Landspitze und dann mit Hilfe der Brise schräg über den Strom.
Es war sechs Uhr abends, als die »Moriche«, die »Maripare« und die »Gallinetta« am linken Ufer für die Nacht anlegten, die durch nichts gestört werden sollte.
Schon wollte sich der Schlaf auf die ermüdeten Lider senken, da richtete, anknüpfend an das eben Erlebte, Germain Paterne an seinen Freund noch eine Frage.
»Was meinst Du, Jacques, was werden jene Piaroas denn nun mit ihrem Tapir anfangen?
– O, den begraben sie mit allen einem so heiligen Thiere zustehenden Ehrungen!
– Ich dächte gar, Jacques!… Willst Du mit mir wetten, daß sie ihn aufessen und damit gar nicht Unrecht haben, denn es geht wirklich nichts über eine gut geröstete Tapirlende!«
Vierzehntes Capitel.
Der Chubasco.
Mit Tagesanbruch, als die letzten Sterne noch am Westhimmel flimmerten, wurden die Passagiere durch die Vorbereitungen zur Weiterfahrt geweckt. Alles ließ erwarten, daß dies der letzte Reisetag sein werde. San-Fernando lag jetzt nur noch fünfzehn Kilometer weit entfernt. Der Gedanke, heute Abend in einem wirklichen Zimmer und in einem leibhaftigen Bette zu schlafen, berührte Alle natürlich höchst angenehm. Von Caïcara aus gerechnet, dauerte die Stromfahrt bereits einunddreißig Tage und folglich ebenso viele Nächte, während der man sich hatte mit den sehr primitiven Esteras der Deckhäuschen begnügen müssen.
Was den Aufenthalt in la Urbana, wie in den Dörfern Maipures und Atures betrifft, wo man in Strohhütten und auf indianischen Lagerstätten übernachtet hatte, so verschwand diese fragliche Annehmlichkeit doch ganz gegen den Comfort eines in europäischer Weise ausgestatteten einfachen Gasthauses, von dem eines eigentlichen Hôtels ganz zu schweigen. Ohne Zweifel würde ja San-Fernando nach dieser Seite alle Wünsche befriedigen.
Als die Herren Miguel und seine Gefährten
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