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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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aus den Deckhäusern hervortraten, schwammen die Falcas schon in der Mitte des Strombettes. Bei frischem Nordostwinde kamen sie jetzt ziemlich schnell vorwärts. Leider ließen gewisse Vorzeichen, über die sich Stromschiffer des Orinoco nicht wohl täuschen konnten, befürchten, daß die günstige Brise nicht lange genug anhalten werde, um fünfzehn Kilometer zurückzulegen.
    Die Piroguen segelten wieder so nebeneinander hin, daß Jacques Helloch bequem nach der »Gallinetta« hinübersprechen konnte.
    »Sie befinden sich doch heute Morgen wohl, lieber Jean? fragte er, mit der Hand grüßend.
    – Ich danke Ihnen, Herr Helloch, erwiderte der junge Mann.
    – Und Sie, Sergeant Martial?
    – Mir scheint, ich befinde mich nicht schlechter als gewöhnlich, begnügte sich der alte Soldat zu antworten.
    – Das sieht man… sieht man freilich auf den ersten Blick, versetzte Jacques Helloch froh gelaunt. Ich hoffe, wir werden heute Abend Alle bei vortrefflicher Gesundheit in San-Fernando ankommen.
    – Heute Abend? wiederholte der Schiffer Valdez mit ungläubigem Kopfschütteln. Wer kann das wissen?«
    Da mischte sich noch Herr Miguel, der den Himmel betrachtet hatte, in das Gespräch.
    »Sind Sie nicht zufrieden mit dem Wetter, Valdez? fragte er.
    – Nicht so ganz, Herr Miguel. Da oben ziehen Wolken aus dem Süden herauf, und die haben nichts Gutes zu bedeuten.
    – Wird der Wind sie nicht vertreiben?
    – Wenn er aushält… vielleicht… doch wenn er, wie ich fürchte, abflaut oder sich ganz legt… Was da unten heraufsteigt, sind Gewitterwolken, und es ist ja nicht selten, daß solche dem Winde entgegen ziehen.«
    Jacques Helloch ließ die Blicke über den Horizont schweifen und schien die Ansicht des Schiffers Valdez zu theilen.
    »Nun, inzwischen, sagte er, wollen wir die Brise ausnutzen und so viel wie möglich Weg zurückzulegen suchen.
    – Daran soll es nicht fehlen, Herr Helloch!« versicherte der Führer der »Gallinetta«.
    Im Laufe des Vormittags erlitten die Piroguen keine nennenswerthe Verzögerung. Immer genügten die prall geschwellten Segel zur Ueberwindung der Strömung, hier übrigens einer recht schnellen, zwischen den von weiten Ilanos begrenzten Ufern und dem da und dort von einzelnen Mesas, das sind grünbedeckte Erdhaufen, durchsetzten Orinoco. Mehrere Rios, die von den letzten Regengüssen her noch reichliche Wassermassen führten, nach fünf bis sechs Wochen aber ganz versiegt sein würden, mündeten hier in den Hauptstrom ein.
    Dank der Brise konnten die Fahrzeuge nach Umschiffung der Risse von Nericawa, wenn auch unter mancher Schwierigkeit und großer Anstrengung, das kleine Raudal von Aji überwinden, dessen Durchlässe zur Zeit überall noch Wassertiefe genug hatten, zwischen ihren Felsblöcken hindurchzulavieren. Eine Gefahr lag dabei nur darin, daß eine unerwarteterweise von der Strömung gepackte Pirogue gegen eine solche Klippe geschleudert würde, an der sie unfehlbar zertrümmert werden mußte.
    Ein solcher Unfall wäre der »Moriche« beinahe zugestoßen. Mit ungeheurer Gewalt fortgerissen, war sie nahe daran, an die Kante eines mächtigen Felsblocks geworfen zu werden. Wäre dieses Unglück eingetroffen, so hätten die »Gallinetta« und die »Maripare« jedenfalls die Insassen und das Material der »Moriche« noch retten können. In diesem Falle hätten Jacques Helloch und sein Begleiter wohl oder übel nach einer andern Falca übersiedeln müssen, und es lag ja auf der Hand, daß dann die »Gallinetta« die beiden Landsleute an Bord aufnahm.
    Das war ein möglicher Fall, der dem Sergeanten Martial – um nicht mehr zu sagen – gewiß arg gegen den Strich gegangen wäre, obwohl die den beiden Franzosen zu gewährende Gastfreundschaft voraussichtlich nur wenige Stunden dauern konnte.
     

    »Nach den Piroguen!… Schnell nach den Piroguen!« (S. 187.)
     
    Nachdem die Schiffsleute den Gefahren des Raudals von Aji entgangen waren, gelang ihnen ebenso die Passage des Raudals von Castillito, des letzten, das stromabwärts von San-Fernando die Schifffahrt erschwerte.
    Nach eingenommenem Frühstück, d.h. um die Mittagszeit, erschien Jacques Helloch auf dem Vordertheil der »Moriche«, um eine Cigarre zu rauchen.
    Mit lebhaftem Bedauern mußte er sich überzeugen, daß Valdez sich in seiner Voraussicht nicht getäuscht hatte.
     

    »Da oben ziehen Wolken aus dem Süden heraus.« (S. 190.)
     
    Die Brise wurde schwächer und die schlaffen Segel vermochten kaum noch die Strömung

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