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Der Strandlaeufer

Der Strandlaeufer

Titel: Der Strandlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boëtius
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verschlossen ist wie dein Vater. Er frisst alles in sich hinein. Man redet gegen eine Wand bei ihm, und dann kommt noch seine Schwerhörigkeit hinzu, die er nicht zugeben will. Er kann es nicht mit seiner Männlichkeit vereinbaren, dass er fast nichts mehr hört. Hörst du, mein Sohn?«
    Sie blickt zum Himmel mit einem fassungslosen Blick. »Hörst du es nicht? Sie üben! Das sind die Düsenjäger, die diesen Lärm machen. Du weißt, dass ich sehr gut höre. Es ist eigentlich immer besser geworden, mein Gehör, deshalb höre ich auch die Flugzeuge so deutlich!«
    »Aber es ist ein Gewitter, Mutter«, wendet der Sohn ein. »Vielleicht sollten wir besser hineingehen.«
    Die Mutter senkt ihren Blick und fixiert den Sohn neben ihr. Ihre Augen sind dunkelbraun, sie sehen aus wie kleine, geröstete Haselnüsse. Der Sohn hat das Gefühl, dass der Blick seiner Mutter geradewegs durch ihn hindurchgeht wie durch Luft. »Jaja, wir haben Herbstmanöver. Obwohl du Recht haben könntest mit deiner Vermutung. Es könnten aber auch die Düsenjäger sein. Ich meine eher, dass es die Flugzeuge sind. Oder es ist wirklich ein Gewitter. Was meinst du? Du hast doch sicher mein gutes Gehör geerbt!«
    »Es ist ein Gewitter!«
    Die Mutter sieht durch ihn hindurch und nickt. »Ich glaube, du hast Recht. Es ist wirklich ein Gewitter. Die armen Piloten! Wie tapfer sie sind. Sie haben vielleicht sogar Familie. Du ahnst gar nicht, wie gefährlich es bei Gewitter in einem Düsenjäger ist. Sie sollten das Manöver abbrechen. Weißt du überhaupt, wie ein Hibiskus aussieht? Die Blüte ist fleischrot, und sie blüht nur einmal, aber dann folgen Hunderte. Alle fleischrot, ganz zart, ganz offen, ganz verletzlich. Als ich damals im Krankenhaus war und sie mir den Polypen aus der Gebärmutter entfernt haben, warst du da nicht bei der langen Else? Sie hat auch immer so schlecht gerochen, und sie hat immer Kuchen aufgeschrieben, sie musste ja alles aufschreiben, was sie zu essen eingekauft hat, und das war immer nur Kuchen, nichts als Kuchen, Kuchen, Kuchen. Und du hast dich hinterher bei mir beschwert, mein armer Sohn, weil du nichts Rechtes zu essen bekommen hast, als ich im Krankenhaus war und sie mir den Polypen herausgenommen haben, und ich albernes junges Ding bin dann kurz nach der Operation Fahrrad gefahren, und dann war da plötzlich alles rot.«
    Sie trinkt und schließt dabei die Augen. Ihre Lippen zittern, als sie den Tee schluckt. »Alles rot, ein reines Blutbad, mein Sohn. Ich habe im Blut geschwommen, wie bei deiner Geburt. Dein armer Vater war damals auf See, er konnte sich nicht um mich kümmern, und auch du warst weit weg, weit weg, und als ich dann aus dem Krankenhaus zurückkam, hast du dich über die lange Else beschwert, weil sie immer Spucke an den Lippen hatte und es immer nur Kuchen gab. Iss doch noch ein Stück Kuchen! Du könntest ruhig etwas kräftiger sein in deinem Alter. Sorgt deine Frau denn auch gut genug für dich? Ach ja, die jungen Dinger von heute! Sie wissen einfach nicht, was ein richtiger Mann braucht. Wo bleibt dein Vater nur so lange? Er ist ein so liebevoller Mann. Du ahnst gar nicht, was für ein liebevoller Mann er ist. Seit ich diese Beschwerden habe, macht er alles Grobe im Haushalt. Ich erkläre ihm, was 
er
 will, und er macht es. Es ist nicht immer einfach für ihn, wo er doch nicht mehr der Jüngste ist. Aber er ist immer noch ein schöner Mann. Es ist erstaunlich, was dieser Mann in seinem Alter noch alles leistet. Sogar kochen kann er jetzt, aber abschmecken muss ich, abschmecken muss ich.«
    Sie nimmt den leeren Kuchenteller in beide Hände und beginnt damit, ihn abzulecken. Der Sohn sitzt im Stuhl und rührt sich nicht. Er fühlt sich wie ein Stein. Es gibt Steine, die zu nichts nutze sind. So fühlt sich der Sohn. Das Gewitter ist jetzt über ihnen. Die Blitze ähneln aufplatzenden Rissen in einem prallen, blauen Kissen. Es donnert unaufhörlich. Der Sohn sieht seinen Vater hinter dem Fenster stehen und winken und zum Himmel deuten, aus dem jetzt dicke Regentropfen fallen. Der Vater hat seine Uniformjacke an. Die goldenen Knöpfe sehen wie gestohlene Dublonen aus, denkt der Sohn. Die Mutter ruft: »Edmund! Edmund! Komm doch zu uns! Es ist herrlich hier draußen! Dieser Friede, diese gute Luft!«
    Der Sohn steht auf und blickt zum Himmel. »Wir gehen besser hinein«, sagt er, aber ein Donner verschluckt seine Stimme. Die dünnen Haare der Mutter sind angeklatscht an ihren Schädel. Tropfen rinnen

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