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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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einem Widerspruch gegenüberzustehen, überprüfe deine Prämissen. Du wirst sehen, dass eine davon falsch ist.“
    „Francisco“, flüsterte sie, „warum sagst du mir nicht, was mit dir geschehen ist?“
    „Weil dir zurzeit die Antwort mehr Schmerz bereiten würde als die Unsicherheit.“
    „Ist es wirklich so schlimm?“
    „Es ist eine Lösung, auf die du selbst kommen musst.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich dir anbieten könnte. Ich weiß nicht mehr, was dir etwas bedeutet. Verstehst du nicht, dass sogar ein Bettler einen Gegenwert liefern muss, einen Grund, warum du ihm helfen solltest? … Nun, ich dachte an … früher hat er dir viel bedeutet – Erfolg. Geschäftlicher Erfolg. Erinnerst du dich, wie wir immer darüber gesprochen haben? Du nahmst das sehr ernst. Du hast eine Menge von mir verlangt. Du hast mir gesagt, ich sollte lieber zusehen, dass ich mein Leben darauf einstelle. Du hast dich gefragt, wie weit ich es wohl bei Taggart Transcontinental bringen würde.“ Sie deutete mit der Hand auf das Büro. „Hier siehst du, wie weit ich es gebracht habe. … Daher dachte ich mir … wenn dir die Erinnerung daran, was einst deine Werte waren, noch etwas bedeutet, wenn auch nur aus Vergnügen oder als ein Augenblick der Trauer … wie man Blumen auf ein Grab legt … würdest du mir das Geld geben wollen … in diesem Namen.“
    „Nein.“
    Mühsam sagte sie: „Dieses Geld würde dir nichts bedeuten – du hast ebenso viel für sinnlose Gesellschaften verschwendet, du hast viel mehr als das an die San-Sebastián-Minen verschwendet …“
    Er sah auf. Als er sie gerade anblickte, sah sie den ersten Funken einer lebendigen Reaktion in seinen Augen, einen hellen, unbarmherzigen und unverständlicherweise stolzen Blick, als wäre dies eine Anschuldigung gewesen, die ihm Kraft gab.
    „Ja, natürlich“, sagte sie langsam, als beantwortete sie seine Gedanken, „ich sehe das ein. Ich habe dich für diese Minen verflucht, ich habe dich verurteilt, ich habe dir auf jede erdenkliche Weise meine Verachtung gezeigt, und jetzt komme ich angekrochen – und bitte um Geld. Wie Jim, wie jeder andere Schmarotzer, der dir jemals über den Weg gelaufen ist. Ich weiß, das ist ein Triumph für dich, ich weiß, dass du mit allem Recht über mich lachen und mich verachten kannst. Nun – vielleicht kann ich dir das anbieten. Wenn es Spaß ist, was du suchst, wenn es dir Freude bereitet hat, Jim und die mexikanischen Planer kriechen zu sehen – würde es dich nicht auch amüsieren, mich zu brechen? Würde es dir kein Vergnügen bereiten? Würdest du nicht gerne hören, wie ich zugebe, dass ich mich dir geschlagen gebe? Möchtest du nicht sehen, wie ich vor dir krieche? Sag mir, wie du es gerne hättest, und ich füge mich.“
    Er bewegte sich so rasch, dass sie nicht bemerkt hatte, wie er aufgestanden war; es schien ihr lediglich, dass seine erste Regung ein Schaudern gewesen war. Er kam um den Tisch herum, er ergriff ihre Hand und hob sie zu seinen Lippen. Anfangs war es eine Geste des tiefsten Respekts, als sollte sie ihr Kraft geben; doch als er seine Lippen und dann sein Gesicht gegen ihre Hände drückte, wusste sie, dass er selbst Kraft darin suchte.
    Er ließ ihre Hand los und sah auf ihr Gesicht herab, auf die ängstliche Ruhe ihrer Augen. Er schenkte ihr ein Lächeln und versuchte nicht zu verbergen, dass es voller Leiden, Wut und Zärtlichkeit war.
    „Du willst kriechen, Dagny? Du weißt nicht, was dieses Wort bedeutet, und wirst es auch nie wissen. Jemand, der es so offen zugibt, kriecht nicht. Denkst du, ich weiß nicht, dass dein Flehen das Mutigste war, was du tun konntest? Dennoch … Bitte mich nicht, Dagny.“
    „Im Namen all dessen, was ich dir je bedeutet habe …“, flüsterte sie, „und was in dir übrig ist …“
    In dem Augenblick, als sie dachte, diesen Blick schon einmal gesehen zu haben, dass er sie im nächtlichen Schein der Stadt so angesehen hatte, als er zum letzten Mal im Bett an ihrer Seite gelegen hatte, brach ein Aufschrei aus ihm hervor, wie sie ihn noch nie gehört hatte: „Meine Geliebte, ich kann nicht!“
    Dann, als sie einander wortlos vor Erstaunen ansahen, sah sie die Veränderung in seinem Gesicht. Sie geschah so grausam plötzlich, als hätte er einen Schalter umgelegt. Er lachte, entfernte sich von ihr und sagte mit einer erschreckenden Gleichgültigkeit, die geradezu beleidigend war: „Bitte verzeih die falsche Wortwahl. Ich habe das schon zu

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