Der Streik
… Sag, wann fährt morgen früh dein erster Zug nach Philadelphia?“
„Oh, ich weiß nicht.“
„Du weißt es nicht? Wozu bist du Betriebsleitende Vizepräsidentin? Ich muss bis sieben im Werk sein. Geht gegen sechs einer?“
„Um fünf Uhr dreißig geht der erste, glaube ich.“
„Weckst du mich rechtzeitig, damit ich ihn bekomme, oder würdest du lieber den Zug für mich anhalten lassen?“
„Ich wecke dich.“
„In Ordnung.“
Sie beobachtete ihn, während er schwieg. Er hatte müde ausgesehen, als er zur Tür hereingekommen war; jetzt war die Erschöpfung aus seinem Gesicht verschwunden.
„Dagny“, fragte er unvermittelt; sein Ton hatte sich verändert, er hatte nun eine versteckte ernste Note, „warum wolltest du mich nicht in der Öffentlichkeit treffen?“
„Ich möchte nicht Teil deines … öffentlichen Lebens sein.“
Er antwortete nicht; einen Augenblick später fragte er beiläufig: „Wann hast du zuletzt Urlaub gemacht?“
„Ich glaube, das war vor zwei … nein, drei Jahren.“
„Was hast du gemacht?“
„Ich bin für einen Monat in die Adirondack Mountains gefahren. Und war nach einer Woche zurück.“
„Dasselbe habe ich vor fünf Jahren gemacht. Nur war es Oregon.“ Er lag flach auf dem Rücken und blickte zur Decke. „Dagny, lass uns zusammen in Urlaub fahren. Wir nehmen meinen Wagen und fahren ein paar Wochen weg, irgendwohin, wir fahren einfach, über Nebenstraßen, wo uns niemand kennt. Wir hinterlassen keine Adresse, lesen keine Zeitungen, rühren kein Telefon an – wir haben einfach kein öffentliches Leben.“
Sie stand auf. Sie ging zu ihm hin, stellte sich neben das Sofa, blickte zu ihm hinunter, das Licht der Lampe hinter sich. Sie wollte nicht, dass er ihr Gesicht sah und wie sehr sie sich bemühte, nicht zu lächeln.
„Du kannst dir doch ein paar Wochen freinehmen, oder?“, fragte er. „Alles ist in die Wege geleitet und funktioniert von selbst. Es besteht keine Gefahr. Das ist für die nächsten drei Jahre unsere einzige Chance.“
„Gut, Hank“, sagte sie, während sie ihre Stimme zwang, ruhig und gleichgültig zu klingen.
„Dann tust du es?“
„Wann möchtest du aufbrechen?“
„Montag früh.“
„Einverstanden.“
Sie drehte sich weg, um zu gehen. Er ergriff ihr Handgelenk, zog sie hinunter, warf ihren Körper auf seinen, sodass sie ausgestreckt auf ihm lag, er hielt sie so unbequem, wie sie gelandet war, fest, eine Hand in ihrem Haar, ihren Mund auf seinen gepresst, während seine andere Hand sich von ihrem Schulterblatt unter ihrer dünnen Bluse zu ihrer Taille, zu ihren Beinen bewegte. Sie flüsterte: „Und du sagst, ich bräuchte dich nicht …“
Sie stieß sich von ihm fort, stand auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Er lag still da und sah zu ihr hinauf, mit schmalen Augen, in denen das helle Flackern eines besonderen Interesses lag, aufmerksam und ein wenig spöttisch. Sie sah an sich hinunter: Ein Träger ihres Unterkleides war gerissen und hing schräg von der Schulter an ihrer Seite herunter, und er sah ihre Brust unter dem dünnen Schleier der Bluse. Sie hob die Hand, um den Träger in Ordnung zu bringen. Er schlug ihre Hand beiseite. Sie verstand und lächelte spöttisch zurück. Sie ging absichtlich langsam durch den Raum, lehnte sich mit zurückgeworfenen Schultern an einen Tisch, stützte sich mit den Händen am Rand der Tischplatte ab und sah ihn an. Es war der Gegensatz, der ihn anzog – die Strenge ihrer Kleidung und der halbnackte Körper, der Kopf einer Eisenbahngesellschaft, der eine Frau war, die er besaß.
Er richtete sich auf, lehnte bequem mit nach vorne ausgestreckten, überkreuzten Beinen und den Händen in den Taschen auf dem Sofa und sah sie prüfend an, wie man den Wert eines Eigentums abschätzt.
„Du hast also gesagt, du möchtest eine transkontinentale Bahnstrecke aus Rearden-Metall, Mr. Vizepräsident?“, fragte er. „Was, wenn ich sie dir nicht gebe? Ich kann mir meine Abnehmer jetzt aussuchen und jeden Preis verlangen, den ich wünsche. Noch vor einem Jahr hätte ich gefordert, dass du als Bezahlung mit mir schläfst.“
„Ich wünschte, das hättest du.“
„Hättest du es getan?“
„Natürlich.“
„Als etwas Geschäftliches? Als Verkauf?“
„Wenn du der Käufer gewesen wärst, schon. Das hätte dir gefallen, nicht wahr?“
„Dir nicht?“
„Doch …“, flüsterte sie.
Er ging auf sie zu, packte ihre Schultern und presste seinen Mund durch den dünnen Stoff
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