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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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ist er so weit, dass er anfangen könnte, aber er bekommt keine Werkzeuge. Es gibt keine Werkzeugmaschinen zu kaufen, nirgendwo, zu keinem Preis. Er bekommt nichts als Versprechungen und Verzögerungen. Er durchkämmt das ganz Land nach Schrott aus geschlossenen Fabriken, den er verwerten kann. Wenn er nicht bald beginnt …“
    „Das wird er. Wer kann ihn jetzt noch aufhalten?“
    „Hank“, fragte sie plötzlich, „könnten wir an einen Ort fahren, den ich gerne sehen möchte?“
    „Natürlich. Überallhin. Wohin möchtest du?“
    „Es ist in Wisconsin. Dort gab es einmal ein großes Motorenwerk, zu Zeiten meines Vaters. Wir hatten eine Nebenstrecke, die es belieferte, aber wir haben sie vor etwa sieben Jahren stillgelegt, als sie das Werk schlossen. Ich glaube, es gehört jetzt zu den verödeten Gebieten. Vielleicht gibt es dort übrig gebliebene Maschinen, die Ted Nielsen nutzen könnte. Sie könnten übersehen worden sein – der Ort ist verlassen, und es gibt keine Zugverbindung mehr dorthin.“
    „Ich werde ihn schon finden. Wie heißt das Werk?“
    „Die Twentieth Century Motor Company.“
    „Ja, natürlich! Sie war in meiner Jugend eine der besten Motorenfabriken, vielleicht sogar die beste. Ich glaube mich zu erinnern, dass an der Art und Weise, wie sie den Betrieb einstellten, etwas seltsam war. Ich weiß nicht mehr, was es war.“
    Sie verbrachten drei Tage mit Nachforschungen, aber schließlich fanden sie die ausgeblichene, verlassene Straße und fuhren nun durch gelbe Blätter, die wie ein Meer aus Goldmünzen glänzten, in Richtung Twentieth Century Motor Company.
    „Hank, was, wenn Ted Nielsen etwas passiert?“, fragte sie mit einem Mal, nachdem sie eine Weile schweigend weitergefahren waren.
    „Warum sollte ihm etwas passieren?“
    „Ich weiß nicht, aber … was ist mit Dwight Sanders? Er verschwand. United Locomotives ist damit erst einmal erledigt. Und die anderen Werke sind nicht in der Lage, Dieselloks zu produzieren. Ich habe aufgehört, Versprechungen zu glauben. Und … welchen Sinn hat eine Eisenbahn ohne Triebkraft?“
    „Hat ohne Triebkraft überhaupt irgendetwas einen Sinn?“
    Die Blätter leuchteten und wiegten sich im Wind. Sie erstreckten sich über Meilen – vom Gras bis zu Büschen und Bäumen – und bewegten sich wie Feuer in all seinen Farben. Sie schienen ein vollbrachtes Werk zu feiern, indem sie in ungehemmter, unberührter Fülle brannten.
    Rearden lächelte. „Sie hat schon etwas, die Wildnis. Ich fange an, sie zu mögen. Neues Land, das noch niemand entdeckt hat.“ Sie nickte heiter. „Es ist guter Boden – sieh nur, wie es wächst. Ich würde dieses Dickicht roden und etwas bauen …“
    Dann hörten sie plötzlich auf zu lächeln. Das Wrack, das sie am Straßenrand im Unkraut stehen sahen, war ein rostiger Zylinder mit einigen Glasscherben – der Rest einer Zapfsäule.
    Es war das Einzige, was noch zu sehen war. Die wenigen verkohlten Pfeiler, die Betonplatte und das Glitzern von Glasstaub – was einmal eine Tankstelle gewesen war, war vom Dickicht verschlungen worden und kaum noch zu erkennen, wenn man nicht genau hinsah. In einem Jahr würde sie ganz verschwunden sein.
    Sie wandten den Blick ab. Sie fuhren weiter, ohne wissen zu wollen, was noch unter dem Unkraut verborgen lag, das sich über Meilen erstreckte. Wie eine Last lag die Verwunderung, die sie beide spürten, in der Stille zwischen ihnen: die Verwunderung darüber, wie viel das Unkraut geschluckt hatte und mit welcher Geschwindigkeit.
    Die Straße endete abrupt hinter einer Kehre auf einem Hügel. Nur ein paar Betonstücke ragten noch aus einem langen, geplätteten Streifen aus Teer und Lehm heraus. Der Beton war von jemandem zerschlagen und fortgebracht worden; auf dem Erdstreifen, der zurückgeblieben war, wuchs nicht einmal das Unkraut. Am höchsten Punkt eines fernen Hügels hob sich ein einsamer Telegrafenmast schief vom Himmel ab wie ein Kreuz über einem riesigen Grab.
    Es kostete sie drei Stunden und einen platten Reifen, in einem niedrigen Gang auf dem unbefestigten Untergrund weiterzukriechen, durch Wasserrinnen und von Wagenrädern hinterlassene Furchen, bis sie die Siedlung erreichten, die im Tal jenseits des Hügels mit dem Telegrafenmast lag.
    Einige Häuser standen immer noch inmitten des Gerippes, das einmal eine Industriestadt gewesen war. Alles Bewegliche war fortgeschafft worden, doch einige Menschen waren geblieben. Die leeren Gebäude waren nur noch Schutt; sie waren

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